Hallo ihr Lieben,
so langsam setzt nun auch hier der
Winter ein oder besser gesagt zum 1.12. kam er mit Pauken und Trompeten um die
Ecke gewirbelt. Denn obwohl es doch hier immer kälter wurde, war es am Montag
doch zum ersten Mal richtig kalt
(Nachts so um die Null Grad und tagsüber auch nur kümmerliche 5°C), Mittwoch kam
dann auch noch Regen dazu, der netterweise in kleinen Eiskristallen zur Erde
fiel. Besonders witzig dabei zu beobachten sind alle Kommilitonen von mir die
aus warmen Länder wie Mexiko, Indonesien oder Spanien kommen, denn die sind
jetzt schon eingemummelt in zehn Schichten dicker Sachen. Aber ich muss sagen,
so direkt warm finde ich es auch nicht, denn leider befinden wir uns hier
südlich des Heizungsäquators (das ist ein ungeschriebenes Gesetzt hier in China, welches besagt dass es südlich des Chang Jiang keine Heizungen mehr gibt. Warum fließt dieser blöde Fluss nicht 5km weiter im Süden???), das heißt es gibt keine Heizungen mehr,
nirgendwo. Nur Klimaanlagen die warme Luft pusten, allerdings leider auch ein
regelmäßigen Abständen wieder kalte Luft, sodass das Ergebnis gleich Null ist.
Die zentrale „Heizung“ im Wohnheim ist auch eher ein Witz, denn dort kommt fast
keine warme Luft raus und gegen die kalte Luft, die durch die unisolierten
Fenster herein kommt, hat sie sowieso keine Chance. Im Prinzip hat man also
immer mehrere Jacken und/ oder Pullover an, weil es überall (draußen wie
drinnen) mehr oder weniger gleich kalt ist. Besonders viel Spaß dabei macht die
Dusche am Morgen bei sage und schreibe zwei Grad! Aufgabe für euch wird es nun sein, jedes Mal auf dem Weihnachtsmarkt einen Glühwein für mich zu trinken, damit ich nicht mehr so frieren muss! Eine fröhliche Vorweihnachtszeit wünsch ich euch!
Aber genug gejammert heute mal wieder ein
wenig zum chinesischen Leben. Ich werde das der einfachhalber an einem Beispiel
erzählen, der kleinen Straße wo ich meistens essen gehe. Ich glaube ich habe
euch von ihr schon einmal erzählt, aber heute kommen ein paar mehr Details
dazu, denn jetzt hat man doch schon die rosarote Brille abgesetzt. Diese Straße
(unter uns nennen wir sie auch immer nur „die kleine Straße“) ist gleich um die
Ecke vom Campus und zum Glück nicht für den Durchgangsverkehr geöffnet,
deswegen doch vergleichsweise recht ruhig. Hier hat man dann also jede Menge
kleine Läden wo man Essen kann, Getränke, Obst, Zeitung, Schuhe, Bettdecken und
alles Andere was man im alltäglichen Leben so braucht kaufen kann. Ein
Stückchen weiter die Straße rauf gibt es dann sogar auch im westlichen Stil ein
Café und eine kleine Kneipe. Die meisten Leute die in diesen Läden arbeiten
wohnen auch dort, also in den Läden. Anfangs habe ich das gar nicht so
realisiert, doch irgendwann ist das Bild zu meinem Gehirn durchgedrungen. So
wird man doch manchmal, besonders wenn man mit mehreren Leuten essen geht, in
das Hinterzimmer geführt und dort hängen dann die Klamotten der Besitzer am Haken und in
einer Ecke liegen fein aufgeräumt Matratzen. Es kann auch vorkommen, dass das
Hinterzimmer gar nicht existiert, sondern einfach nur ein Tuch die „Wohnung“
abtrennt. So ist das zum Beispiel bei meinem Lieblingsfrühstücksstand. Im
Erdgeschoss werden unter dem Vordach süße, salzige, fettige und vor allem sehr
leckere kuchenähnliche Dinge zubereitet, schaut man ins Innere des „Ladens“
dann kann man die Betten und persönlichen Gegenstände der Besitzer sehen. Eine
Tür oder eine Wand gibt es nicht. Besonders im Winter muss es eine Qual sein
dort zu leben, denn der Wind und die Kälte werden sich von einem Stoffvorhang
nicht aufhalten lassen. Oftmals sieht man hier auch wie die Menschen sich die
Zähne auf der Straße putzen oder ihr Geschirr in einer Schüssel mit (meiner
Meinung nach) kaltem Wasser waschen.
Aber
das scheint den Menschen nicht im Geringsten etwas auszumachen (oder sie
verstecken es sehr gut), denn sie freuen sich trotzdem einen zu sehen. Wenn ich
am Morgen Richtung Frühstück laufe haben sie auch immer schon eine Tüte
griffbereit und warten nur noch darauf dass ich mich entscheide was ich denn
heute leckeres zum Frühstück zu mir nehme. Ein anderes "Extrem" gibt es jedes Mal beim Nudelsuppenmann. Denn zwar scheinen er und seine Frauen (also ich nehme
mal nicht an seine Ehefrauen, sondern eher andere Verwandte) scheinen zwar
nicht in ihrem Geschäft zu wohnen, allerdings kennen sie mich schon viel zu
genau. Was nicht unbedingt schlecht ist, denn sobald ich vor ihnen stehe, weiß
er ganz genau was ich essen möchte. Eine kleine Nudelsuppe mit Rindfleisch,
nicht scharf und Koriander. Sehr, sehr lecker! Anfangs hatten wir noch sehr
viel Suppe in der Suppe, doch mittlerweile ist sind es eher mehr Nudeln mit ein
wenig Brühe. Das scheint wohl ihre Art von Treuebonus zu sein. Ziemlich
niedlich von ihnen, wie ich finde! Aber wir kommen ja auch mindestens einmal in
der Woche zu ihnen und bringen auch ganz brav immer irgendwelche Freunde mit,
sodass wir immer irgendwas zwischen zwei und acht Leuten sind. Der Treuebonus
ist also gerechtfertigt ;)
Um die
Straße herum gibt es natürlich auch reine Wohnhäuser, die sehen von außen
wirklich nicht gut aus, teilweise als ob sie gleich in sich zusammenfallen
wollten. Des Nachts möchte ich dort wirklich nicht allein unterwegs sein, denn es
wirkt doch schon irgendwie so als ob um jeder Ecke ein Mörder oder sonst eine
dunkle Kreatur auf einen wartet. Jedoch
sehen die Wohnungen von innen nicht ganz so schlimm aus, wahrscheinlich kann
man sie mit dem Standard eines unsanierten, deutschen Altbaus vergleichen, wenn
man hohe Decken, Stuck und Parkettboden mal wegnimmt. Um ganz ehrlich zu sein muss ich doch sagen
dass diese Art des Lebens um einiges mehr Charme hat als alle anderen
Schickimickihochhäuser in der Innenstadt.
Eine
Sache hat mich jedoch wirklich geschockt. Eines friedlichen Herbsttages wollten
wir uns gerade vor einem der Fressläden bequem einrichten und die Besitzer
haben für uns schon Tische und Hocker rausgeholt, als von einer plötzlichen
Panik ergriffen alles wieder eingesackt und nach drinnen gebracht wurde. Zuerst
standen wir ein wenig blöd herum und wussten nicht so richtig was das Ganze
denn jetzt sollte, aber Aufklärung kam nur eine Minute später. Die städtische
Regierung hat ihre persönlichen Wachhunde, die auf der Suche nach was auch
immer mit Transporter durch die Straßen fahren und dabei Angst und Schrecken
verbreiten. Denn sobald Tische und Hocker draußen auf der Straße stehen
scheinen diese in das Eigentum der Stadt überzugehen. Sollte sich ein Besitzer
dagegen wehren, dann wird an Gewalt nicht gespart und auch mal zugeschlagen.
Somit ist die Reaktion der Fressbudenbesitzer durchaus nach vollziehbar, denn
wer möchte schon gern seine Einrichtung an die Stadt verlieren oder sich gar
verprügeln lassen. Ich weiß nicht genau, weit wann diese Patrouillen durch die
Straßen ziehen, aber allzu lang scheint es noch nicht zu sein, denn ein Kommilitone meinte dass die Straße
um einiges belebter war als noch jeder unbehelligt draußen essen konnte. Dass
kann ich mir sehr gut vorstellen, denn sein Mittagessen an der „frischen“ Luft
zu genießen ist um einiges angenehmer als sich mit zu vielen Leuten einen zu
kleinen und vor allem zu stickigen Raum zu teilen.
Mit
diesen Wachhunden auf den Straßen fühl ich mich allerdings nicht unbedingt
sicherer und dass obwohl uns in einer Einführungsverantstaltung erklärt wurde,
dass Nanjing zu den sichersten Städten Chinas zählt. Da möchte ich gleich gar
nicht mehr wissen wie es in anderen Städten aussieht.
Soviel
zum chinesischen Leben! Was das Leben auf dem Campus betrifft, da ist auch
alles beim Alten, die Chinesen machen immer noch ihren frostigen Morgensport, das
Chinesisch macht langsam Fortschritte und man hat immer noch so seine Späße mit
den Lehrern. Unsere Klassenlehrerin ist ja im Babyurlaub und dafür haben wir
eine Vertretung bekommen, die leider keine Späße macht und bei der am
Unterricht erkennen kann, dass sie eine vom alten Schlag ist. Denn wer zu spät
zum Unterricht kommt (meistens sind das 70% der Klasse) der verpasst dann halt
die Tests, wird als fehlend eingetragen usw. Auch wird auswendig Nachsprechen
wieder ganz groß geschrieben. Im Großen und Ganzen ist sie ganz nett,
allerdings hoffe ich trotzdem nächstes Semester meine alte Lehrerin wieder zu
bekommen.
Sehr
witzig ist dafür unsere Hören-und-Sprechen-Lehrerin, wenn auch eher ungewollt.
Mit ihren 24 Jahren scheint sie sich doch jedem Spaß im Leben
erfolgreich zu entziehen und ihre Einstellung zum Leben gleicht eher Oma und
Opa. So hatten wir viel Spaß als die Westler unter uns ihr erklärten, dass es
überhaupt kein Problem sei, wenn ein Junge ein Mädchen zu Hause besucht. Die
anderen Asiaten in der Klasse meinten zwar, dass dies bei ihnen auch nicht
üblich sei, allerdings käme es für sie weniger überraschend. Als wir unserer
Lehrerin dann auch noch erzählten dass Jungen und Mädchen zusammen wohnen
können ohne dass sie ein Paar sind (dass natürlich die Absicht hat zu heiraten), da
sind ihr fast die Augen aus dem Kopf gefallen. Ich möchte sie jetzt hier nicht
blos stellen, aber das war schon wirklich lustig, vor allem weil sie selber
immer wieder mit solchen Themen anfängt und dann jedes Mal geschockt ist. Ich
würde gern mal Maus spielen und schauen wie sie diese Stunden anderen erzählt :)
Im Zuge des Chinesisch Lernens mache
ich gerade auch eine ganz unerwartete Erfahrung. Also nicht nur das mein
Deutsch so langsam aber sicher den Bach runter geht (das ist alles andere als
unerwartet), sondern vielmehr dass man anfängt die eigene Sprache zu
reflektieren. Warum haben wir im Deutschen Artikel und warum ist das Mädchen
sächlich und nicht weiblich, der Junge aber männlich? Warum konjugieren wir Verben? Wenn man mit anderssprachigen Menschen Zeit
verbringt dann kommt man irgendwann wohl immer auf solche Themen zu sprechen,
was durchaus interessant ist, mich und alle anderen deutschsprachigen aber zu
der Übereinkunft gebracht hat, dass wir alle sehr froh sind kein Deutsch lernen
zu müssen.
Mit diesen Gedanken verabschiede ich
mich von euch!
Bis zu nächsten Mal eure Jana