von Einer die auszog die Welt zu erkunden Teil 2

Dienstag, 26. Mai 2015

So ein Theater



Hallöchen,

überraschenderweise gibt es hier schon wieder die neusten Neuigkeiten:

Am Montag sind wir auf der Suche nach einem leckeren Mittagessen, wie so üblich durch „unsere“ kleine Straße geschlendert, vielleicht erinnert ihr euch noch daran als ich euch davon erzählt , mit all den freundlichen Leuten und kleinen Läden etc. Jedenfalls sind wir dort am Montag lang und waren ganz erstaunt und ein wenig geschockt, als wir gesehen haben dass einige der Fressbuden und auch die Ramschläden ihre Türen verschlossen hatten bzw. die Läden ausgeräumt hatten. Am Abend dann waren nur noch ein oder zwei von den insgesamt zwanzig Läden oder so geöffnet und wir dachten wirklich, das war es jetzt, die Regierung braucht mehr Platz für neue Wohnungen und reißt die Gebäude ab, um neue Wolkenkratzer an ihre Stelle zu bauen. Denn genau das passiert an schon so einigen Stellen überall in China. Unsere Sorge galt dann dementsprechend nicht nur uns, denn wo sollen wir dann zur Nahrungsaufnahme hingehen, da diese Straße für uns wie das Wasser für Blumen ist. Nein, unsere Sorge galt natürlich auch den dortigen Ladenbesitzern, die ihr ganzes oder einen sehr großen Teil ihres Lebens in dieser Straße haben.
Als wir am nächsten Tag wieder dort waren, konnten wir unseren Augen nicht trauen. Überall lag Schutt, Gebäudeteile, alte Rollgitter, Glas, Türen und Ladenschilder auf der Straße. Ungefähr so stelle ich es mir nach einem Erdbeben vor, hier ein paar Impressionen:


Trotz Weltuntergangsstimmung, der Mensch muss essen und deswegen ist das Restaurant auch weiterhin geöffnet

Ähm, ja, kein Dach mehr

Preise gibt es noch, aber ansonsten nichts, kein Dach, keine Wände, Tische, Stühle, Küche

Hinter den Planen sieht alles noch genauso aus wie vorher, am Abend werden die geöffnet und das Leben geht weiter


Aber warum nun das Ganze Theater? Ich habe mit einigen ortsansässigen Ladeninhabern, Bauarbeitern und chinesischen Freunden geredet und dabei sehr interessante Dinge erfahren. So war die einheitliche Antwort warum die Ladenteile auf der Straße eingerissen wurden, dass die Regierung (wer auch sonst) es als nicht schön befindet und beschlossen hat, dass alles hübsch aussehen soll, also alle Ladenfronten einheitlich gemacht werden sollen. Als ob das hier irgendjemanden auch nur die Bohne interessiert, wie die Straße aussieht, solang das Essen gut ist. Von meinen chinesischen Freunden habe ich erfahren, dass diese ganze Aktion im Prinzip illegal ist, denn auf diese Art und Weise will die Regierung nur die Ladenbesitzer ohne Lizenz aus dem Verkehr ziehen bzw. ihnen wahrscheinlich viel Geld für eine neue Lizenz abknüpfen. Ich glaube fast das die offizielle Regierung für die Schönheits-OP verantwortlich ist und die Polizeieinheiten, welche den Bezirk verwalten ein wenig extra Taschengeld einstreichen wollen. Wer hier am Ende außerdem einen Gewinn macht ist nicht so ganz klar, denn derzeit sind nur einige wenige Läden offen und diese haben definitiv weniger Kundschaft, einige Läden sind derzeit geschlossen und andere sind dem Erdboden gleich gemacht worden.
Vielleicht klingt das Ganze für den Außenstehenden sehr dramatisiert und möglicherweise ist es wirklich nicht das Schlechteste wenn ein wenig renoviert wird (auch wenn es mal wieder nur die Fassade im Erdgeschoss ist, also dass was man direkt sieht), allerdings hat man das Gefühl man wird direkt angegriffen, wenn man hier viel Zeit verbringt und gewisse Beziehungen zu den Leuten aufgebaut hat. 

Um gleich mal beim Drama zu bleiben, allerdings einem Gewollten und weitaus angenehmeren. Letzte Woche haben wir unseren kulturellen Horizont bei der Kunqu Oper 昆曲 erweitert. Sehr bekannt in der ganzen weiten Welt ist ja die berühmte Pekingoper, was viele aber nicht wissen ist, dass die Kunqu Oper eine der ältesten Bühnenkunstformen der Welt ist und auch viel älter als besagte Pekingoper. Deswegen wird sie heutzutage auch „Mutter der Pekingoper“ genannt. Wie so oft wenn man sich eine Oper anschaut, dann versteht man mehr oder weniger gar nichts von dem was gesungen wird, selbst die Chinesen können vieles nicht verstehen, was der Grund ist warum es immer Untertitel gibt (netterweise auch in Englisch). Teilweise haben die Schauspieler auch so hoch gesungen, dass es einem in den Ohren wehtat oder man schon nicht mehr wusste ob das Mann oder Frau sein soll. Naja, von der Gesanglichen Seite ist Oper wirklich nicht meins, allerdings muss man es einmal gesehen haben, denn die Kostüme sind schon wirklich sehr schön. Hübsche Seidengewänder mit aufwendigen Stickereien und interessanten Kopfbedeckungen.
Wir haben für diese Aktion ein wenig unsere Beziehungen spielen lassen und haben in einem Teil des Nanjingmuseums, welcher im Stil eines traditionellen Teehauses eingerichtet ist, zuerst einige typische Nanjinger Spezialitäten genossen und danach die Oper. Ein traditionelles Teehaus hat für gewöhnlich eine kleine Bühne, welche mit aufwendigen Holzschnitzereien verziert ist, die gleichzeitig das Bühnenbild darstellen. Vor der Bühne befindet sich eine größere Fläche auf der Tische und Bänke stehen und an der Rück- und den Seitenwänden gibt es kleinere abgetrennte Teeräume, welche allerdings eine Etage höher sind, sodass man eine bessere Sicht auf die Bühne hat. 

Die Handlung auf der Bühne war auch weniger überraschend sehr chinesisch. Wir haben vier verschiedene Teile aus verschiedenen Theaterstücken gesehen und dabei ging es um die liebe Liebe, schlaue Menschen und die Liebe zur Natur. Insgesamt gab es nicht viel Handlung denn es dauert doch schon recht lang seine Absicht kundzutun, wenn man jedes Wort gesungen auf die Länge von fünf Minuten zieht. Überraschend für uns war nur, dass in einer Szene recht deutlich davon gesprochen wurde dass sich eine Frau und ein Mann zum ersten Mal treffen und sofort beschließen an einen ruhigeren Ort zu gehen, wo man sich privat unterhalten kann (diese Szene fand in einem Studierzimmer statt, aber nee ist klar, war auch schon ganz schön laut dort) und sich dann auch gleich die Sachen vom Leib reißen möchte. Was uns dabei verwundert hat, ist dass wenn man schon in so frühen Zeiten kein Problem damit hatte mit dem Erstbesten ins Bett zu gehen, warum ist es dann in China heutzutage so ein Riesenproblem überhaupt darüber zu reden? Aber was solls, wir hatten unseren Spaß und haben gleichzeitig mal wieder ein wenig was gelernt.
 

Am Samstag bin ich dann auf eigene Faust mal wieder ein wenig durch die Stadt gestromert und hab es endlich geschafft Bilder von den alten Gebäuden aus den 1920ern an der Stadtmauer zu machen. Sonntag dann sind einige Chinesische, Japanische, Lin, Kali und ich zusammen zum Grillen gefahren. Dabei wusste ein chinesischer Freund von einem kleinen Ort irgendwo am Stadtrand, zwischen Bahngleisen, wo man doch recht gemütlich unter Bäumen organisiert grillen konnte. Soll heißen man zahl ein wenig Eintritt, bekommt einen Grill und Kohlen und dann geht’s los. Wir haben ein Weilchen gebraucht bis wir den Trick raus hatten (chinesische Grills sind irgendwie nicht so cool wie Deutsche), aber irgendwann haben wir es gemeistert und uns unser Bäuche vollgeschlagen. Am tollsten allerdings war das es kein fließendes Wasser gab, sondern nur einen Brunnen, um an dieses Wasser zu gelangen musste man einen Eimer an einem Seil herunterlassen und hat dann so das Wasser nach oben geholt, welches auch unglaublich klar und angenehm kühl war (bei sauber bin ich mir nicht so sicher). Zwar macht es wirklich Spaß mal für einige Stunden bei Sonnenschein, sein Wasser auf diese Art und Weise zu besorgen, allerdings habe ich in einigen sehr alten Stadtteilen in Suzhou und anderen Orten gesehen wie sich die Leute Wasser auf die gleiche Weise besorgt haben was daraus schließen lässt, dass sie dies immer tun müssen, da es kein fließendes Wasser gibt. Das stell ich mir nicht besonders lustig vor, wenn man Duschen will, vor allem im Winter. Ich hoffe auch sehr dass die Leute die ebenfalls zwischen den Gleisen gewohnt haben nicht auch so an ihr Wasser kommen, denn die Häuser oder besser gesagt Hütten sahen nicht besonders gut ausgestattet aus. Für uns allerdings war es ein angenehmer Tag im Freien, mit leckerem Essen und netter Gesellschaft und somit ein voller Erfolg.

Das war es auch schon wieder von mir,

allerliebste Grüße von eurer Jana

Donnerstag, 14. Mai 2015

So weit das Auge reicht



Hallihallo ihr Lieben,

nach langer Zeit bin ich nun wieder mal zum Schreiben gekommen. Um das wieder gut zu machen, gibt es dieses Mal auch wieder einen etwas längeren Eintrag, denn ich war mal wieder auf Reisen und bekanntlicherweise gibt es danach immer besonders viel zu erzählen. Um euch aber nicht länger auf die Folter zu spannen, geht’s auch gleich los:

Wie schon erwähnt bin ich mit einigen Freunden (relativ) spontan in die Innere Mongolei 内蒙古 gefahren. Das ist nicht die Mongolei, sondern eine Provinz in Nordchina (also technisch gesehen ist es eine autonome Region), welche allerdings einen sehr hohen Anteil an Mongolen hat, denn diese wohnten hier schon seit dem Altertum. Die Innere Mongolei ist eine der flächenmäßig größten Provinzen Chinas, hat allerdings nur einen Bevölkerungsanteil von knapp 2%. Was das für die Ruhe bedeutet könnt ihr euch ja sicherlich selber denken!
Hinter der Eins das ist übrigens Mongolisch
Mit von der Partie waren also Ange, Flavia, Kali, Francesca und Jose, welcher das Hahn-im-Korb-Dasein sichtlich genossen hat. Zu sechs haben wir uns an einem Donnerstagabend auf den Weg zum Bahnhof gemacht, voll ausgerüstet mit einigen Klamotten und jeder Menge Essen, denn an unser recht hungriges Huangshanabenteuer konnten wir uns nur noch zu gut erinnern. 


Bevor wir allerdings unser Abenteuer in der Inneren Mongolei beginnen konnten, stand uns erst einmal ein Abenteuer ganz anderer Art bevor. Denn aus Geld- und Umweltgründen haben wir uns gegen das Flugzeug entschieden und sind die fast 1500km mit dem Zug gefahren. Leider gibt es für die Strecke Nanjing – Baotou (unser erstes Ziel) keinen Schnellzug und somit mussten wir uns mit dem Bummelzug zufrieden geben. Das hat dann auch „nur“ zwanzig Stunden gedauert, aber zum Glück waren alle Sitzplätz ausverkauft und somit hatten wir alle ein Bett. Für einen Liegeplatz bezahlt man umgerechnet ungefähr 50€. Hat man das Glück das unterste der drei Betten zu erwischen, muss man allerdings ein wenig mehr bezahlen, denn dann muss man keine Bergsteigerfähigkeiten haben um in sein Bett zu gelangen und man muss auch nicht die Größe eines Zwerges haben um in seinem Bett aufrecht sitzen zu können. Erstaunlicherweise waren die Betten allerdings lang genug, sodass selbst ein durchschnittlicher Europäer gemütlich Platz findet.
Die erste Hälfte der Zugfahrt haben wir dann also erst einmal schlafend oder zumindest in unseren Betten verbracht. Bis wir dann durch unsere mitreisenden Chinesen mit koreanischer Popmusik geweckt wurden. Daraufhin haben wir dann jede Menge Karten und andere Spiele gespielt und waren erstaunt als die zwanzig Stunden, doch recht schnell und angenehm vorüber waren. Unterwegs haben wir uns schon ein wenig an der Landschaft erfreuen können, denn zwischendurch ging es durch Berge (keine besonders hohen, aber immerhin) und auch haben wir klare Flüsse und jede Menge Esel gesehen. Ein besonderes Highlight war allerdings der strahlend blaue Himmel. Ich kann mich schon gar nicht mehr erinnern, wann ich das letzte Mal so einen klaren blauen Himmel gesehen habe (ich glaube in Taiwan und das ist auch schon wieder einige Monate her). Das jedenfalls hat unsere eh schon recht munter Stimmung nur noch weiter nach oben gebracht. 
In Baotou 包头, nicht der Hauptstadt Inner Mongolias immerhin aber der wichtigsten und größten Stadt hier, angekommen, haben wir gleich erst einmal festgestellt dass die Menschen hier irgendwie freundlicher sind als in Nanjing. Denn sehr nette Taxifahrer haben uns erklärt, dass unser Hotel viel zu weit weg ist vom Bahnhof und sie uns deswegen nicht fahren können. Allerdings haben sie uns trotzdem geholfen den richtigen Bus zu finden. Wäre uns in Nanjing wohl eher nicht passiert.

An der Stelle wo sich heute die Stadt Baotou befindet, gab es schon seit dem Altertum Nomadensiedlungen hauptsächlich mongolischer Stämme. Zur Stadt wurde es erst Mitte des 19Jhr und seit Mitte des letzten Jahrhunderts fängt sei langsam an zu blühen. Das Ergebnis ist, dass die Stadt ein wenig in zwei Teile geteilt ist. Der ältere Teil mit den typisch kommunistischen Wohnhäusern und dem gewöhnlichen Chaos (hier weniger stark, denn nicht so viele Einwohner), konzentriert sich um den Ostbahnhof (wo wir ausgestiegen sind). Von dort führt eine ewig lange Hauptstraße einmal durch die gesamte Stadt. Diese Straße ist gesäumt mit Straßenlaternen im Pariser Stil, was sehr unerwartet kommt, aber doch recht hübsch aussieht, auch wenn es nicht so ganz zu den umliegenden Häusern passt, denn sobald man sich vom Ostviertel Richtung Stadtzentrum bewegt werden die Häuser immer moderner und sind größtenteils nur noch Hotels, Bank- und Bürogebäude. Die gewöhnlichen Wohngebäude befinden sich dann meistens alle erst in den Seitenstraßen, ein wenig wirkt es als ob die Stadt dazu konzipiert wurde für Geschäftsleute gut auszusehen und alles was nicht schön ist wird einfach zur Seite und in eine nicht sichtbare Ecke geschoben. 

Da wir alle arme Studenten und noch unternehmungslustig sind, haben wir uns einfach ein Hotelzimmer geteilt. Zwei Leute in dem einen Bett (zum Glück waren die ganz hotelmäßig schön groß), drei in dem Anderen und eine Person auf der Isomatte auf dem Boden. So hatten wir dann jeden Morgen schon lustige Geschichten zu erzählen, warum wir die halbe Nacht nicht geschlafen haben, weil irgendjemand über den anderen gekullert ist oder bei dem Versuch die anderen nicht aufzuwecken am Ende doch irgendjemanden geweckt hat.
Am nächsten Morgen hat uns dann jedenfalls unser Fahrer eingesammelt und los ging es zum Grasland. Den Fahrer haben wir mit einer Reisegesellschaft gebucht, denn die Innere Mongolei ist touristisch noch nicht besonders stark erschlossen und somit hatten wir einige Schwierigkeiten ein Unterkunft und Transport zu finden, da war es dann doch recht praktisch jemanden seine Wünsche zu äußern und diese Person bastelt dann einem etwas zurecht. Nach einer Vierstundenfahrt im Minivan sind wir dann jedenfalls im Grasland angekommen, genauer gesagt handelt es sich hier um das 希拉穆仁草原 (Xilamuren Grasland). Unterwegs hat uns der Fahrer ein wenig über die Sitten und Gebräuche der Mongolen aufgeklärt. So sind hier zum Beispiel Pferde die heiligen Tiere. Wenn einem also eine Horde Pferde über den Weg läuft, dann darf man da nicht einfach zwischen ihnen hindurch laufen, nein, man geht schön einen Bogen um sie herum. Gegessen werden sie dementsprechend natürlich auch nicht. Dafür gibt’s hier umso mehr Schaf und relativ wenig Gemüse. Auch gibt es hier recht viele Milchprodukte, doch dazu später mehr. 

"unsere" Jurtenstadt
"echte" Jurten, die einfach so im Grasland herumstehen
Wenn man ins Grasland fährt, dann gehört da natürlich auch dazu dass man eine Nacht in einer Jurte schläft. Das wissen auch die Chinesen, allerdings verzichten diese nur äußerst ungern auf den Komfort eines eigenen Bettes und eines Badezimmers. Deswegen findet man tatsächlich fast nur noch Jurten, welches beides haben. Umso erstaunter waren die Jurtenbesitzer, als wir in einer traditionellen Jurte schlafen wollten.
Traditionell heißt in diesem Fall, man hat die Jurtenwand, eine Tür und Fenster, allerdings ist drinnen nur ein flaches Holzpodest auf dem ein flacher Tisch steht und auf  diesem Holzpodest schläft man dann auch. Noch geschockter waren sie als wir ihnen erklärt haben, dass wir alle zusammen in einer Jurte schlafen wollen. „Was ein Mann mit fünf Frauen!“ Ein etwas aufgeklärter Mitarbeiter meinte später, dass wir wirklich eine gute Beziehung haben müssen um so etwas machen zu können. Das konnten wir alle nur mit einem „Ja“ beantworten, denn wenn man lange Zeit nicht mit den Freunden von zu Hause und vor allem nicht mit der Familie zusammen ist, dann entwickelt man hier so seine eigene kleine Familie. Nachdem also auch das geklärt war, haben wir uns auf ins Grasland gemacht, welches direkt vor der Tür lag. Da es hier erst im Sommer regnet, war das Gras zwar noch braun und sehr trocken, aber für uns trotzdem wunderschön, denn außer Pferden, einigen weit entfernten Jurten und fast keinen Menschen, hat es sich für uns doch schon ein wenig wie im Paradies angefühlt.
Ein Aobao
Wir konnten sogar einfach nur dastehen und nichts außer dem Wind hören, wie er durch das Gras geraschelt ist. Herlich! So sind wir also für einige Zeit durch die leicht gewellte Graslandschaft gestiefelt und haben uns dann auf einem kleinen Hügel nieder gelassen, auf welchem ein
敖包 (aobao) stand. Dies ist ein treppenförmig aufgebauter Steinkegel, welcher den Mongolen nicht nur als Wegweiser dient, sondern auch die Funktion eines Schreins hat. Für gewöhnlich symbolisiert ein jeder dieser Aobaos eine andere Gottheit und an diesen Orten betet man für eine gute Weiterreise. Allerdings handelt es sich hier nicht um Gräber wie ich anfangs dachte, denn genauso sehen sie aus.
Im Vergleich: Taiwanesischer Friedhof
Für mich (und die anderen natürlich auch) war das ein völlig neuer Anblick, denn in Taiwan und dem Rest des Festlandes sieht die Geschichte ganz anders aus. Denn die Gräber in Taiwan konzentrieren sich meistens alle an einem Ort am Dorfrand oder in der Nähe. Auch werden die Familienangehörigen in demselben Grab beerdigt. Dieses sieht von Weiten aus wie ein hübsches kleines Haus mit Veranda. Kommt man näher stellt man allerdings fest, dass es sich hier um ein sehr kleines Haus und auch nur den Verandapart mit Tür und Fenstern handelt. Hier legen Hinterbliebene Blumen und andere Mitgiften, wie Obst oder Alkohol nieder. Auch sind diese Gräber (wie alle religiösen Gebäude in Taiwan) sehr bunt. Auf dem chinesischen Festland dagegen hat man meistens nur einfache Erdhügel, auf welchem entweder darauf oder davor eine Steinplatte steht, worauf der Name und Segenssprüche eingraviert werden. In China, sowie Taiwan und der Mongolei wird ausschließlich die Asche der Verstorbenen vergraben. Wobei in der Mongolei der Verstorbene auf einen Pferdekarren gelegt wird und das Pferd solang läuft bis dieser herunterfällt. An dieser Stelle wird er dann (nachdem er verbrannt wurde) vergraben.

So nun aber wieder zurück ins Reich der Lebenden, denn lebendig sind wir auf jeden Fall noch. Da man in den Grasländern nicht allzu viel machen kann, außer für sehr viel Geld nicht sehr gesund aussehende Pferde zu reiten und die frische zu Luft zu genießen. Haben wir uns einfach an besagtem Steinhaufen niedergelassen und eine Runde Scharade gespielt. Hat auch irgendwie etwas unter freien, frisch-blauem Himmel mit nichts als Natur um einen herum. Später ging es dann in die Speisesaaljurte, also eigentlich nur ein solides Haus in Form einer Jurte, die innen mit ganz vielen bunten Bändern geschmückt war.
Leider gab es im Umkreis von vielen, vielen Kilometern keinen Supermarkt oder anderes Restaurant, deswegen mussten wir wohl oder übel die überteuerten Preise akzeptieren. Wir waren halbwegs gespannt wie es denn sein würde, denn zu den gewöhnlichen Speisen gab es auch eine Lammkeule, eine mongolische Spezialität. Tatsächlich hat die gar nicht so schlecht geschmeckt, allerdings war sie wie auch die anderen Speisen leider nicht ihren Preis wert. Während des Essens wurden wir und die anderen Gäste jedoch mit mongolischen Gesängen und Tänzen unterhalten, welche sich auch nach dem Abendessen draußen am Feuer fortgesetzt haben. Dort haben dann einige Chinesen angefangen in einem großen Kreis ums Feuer zu tanzen und schwuppdiwupp waren alle anderen auch integriert.
Traditionelle mongolische Kleidung
Das war schon wirklich lustig. Ein kleines Mango gab es allerdings, denn da wir die einzigen Ausländer waren, wurden wir die ganze Zeit gefragt wo wir denn herkommen. An und für sich schon etwas nervig wenn man diese Frage mindestens fünfmal am Tag beantworten muss, wenn man allerdings zu sechs unterwegs ist und aus fünf verschiedenen Staaten kommt, dann will man einfach gar nichts mehr sagen. Das Highlight für uns an diesem Abend war dann als Jose, der aus Spanien kommt, der ganzen Horde Chinesen den Macarena beigebracht hat und alle haben brav mit getanzt, das war wirklich ein Bild für die Götter!

Nachdem wir versucht haben uns bettfertigt zu machen (sehr schwierig wenn aus der Wasserleitung, in der Toilette, welche im Prinzip die ganze Jurtenstadt benutzt, nur einige Tropfen herauskommen, die gerade einmal ausreichen sich die Zähne zu putzen) sind wir dann unter unsere Decken gekrabbelt und alle ganz nah zusammen gerutscht, denn es war verdammt kalt. Unsere Bettstatt bestand auch ganz traditionell nur aus einer Decke auf der man liegt, einer Decke zum Zudecken und einem Kissen, welches mit einer Art Reis gefüllt war. Zwar wussten wir das es kalt werden würde und hatten vorsorglich alle mehrere Schichten an, aber an Schlaf war trotzdem nicht zu denken. Deswegen war ich wirklich sehr froh, als halb fünf unser Wecker klingelte, der uns auf den Sonnenaufgang vorbereiten sollte.
Wir hatten am Abend vorher die Mitarbeiter gefragt wann denn die Sonne ungefähr aufgehen soll und alle meinten so circa um fünf. Naja, fast würde ich mal sagen, denn als wir raus sind war der Himmel immer noch rabenschwarz oder zumindest fast, denn am Himmel konnten wir Unmengen an Sternen sehen. Selbst in Deutschland habe ich selten so einen schönen Nachthimmel gesehen und obwohl es immer noch verdammt kalt war, war es das zu frühe Aufstehen wert. Für den Sonnenaufgang selbst sind wir dann zu unserem Steinhügel gegangen und haben frierend der Sonne entgegengefiebert. Die kam dann auch recht bald und hat die heißersehnte Wärme mit sich gebracht. 

Da wir in der Nacht nicht allzu viel geschlafen hatten, sind die anderen dann doch alle noch einmal ins Bett gekrochen. Aber für mich war es immer noch viel zu kalt und unbequem, sodass ich mich allein aufgemacht habe und über eine sehr große Weide spaziert bin. Das interessante daran war, dass das Gatter nicht geschlossen war und Pferde sowie Schafe sich die Weide geteilt und trotzdem noch genügend Platz hatten. Tatsächlich bin ich eine Stunde lang einmal quer über die Weide gelaufen bevor ich auch nur eines der Tiere gesehen habe. Später bin ich dann noch mit den anderen zu einem kleinen ausgetrockneten See gelaufen und wir konnten es nicht glauben als wir auf einmal Kamele vor uns stehen hatten. Denn irgendwie verbindet man diese Tiere immer mit Wüste und Sand und nicht mit einer trockenen Graslandschaft. Wir haben uns dann in sicherer Entfernung von den Kamelen mitten im See niedergelassen und darüber gefreut, dass der Boden ganz rissig war und somit sehr witzige Muster gebildet hat, auch waren wir ganz mutig und haben getestet ob das weise Zeug am Boden Salz ist (ist es) und haben noch eine Partie Scharade gespielt, bevor es für uns auch schon wieder an der Zeit dem Grasland den Rücken zu kehren. 
 
Ist das Kunst oder kann das weg?



Sieht nicht so aus, aber soll wohl ein See sein... manchmal


Ähhhh, was? Scharade mitten im See




Das nächste Ziel unserer Reise war nämlich dann tatsächlich die Wüste. Oder besser gesagt eine Miniwüste, die sich Sounding Sand Desert 响沙湾沙漠 (xiangshawan shamo) nennt. Sie hat diesen Namen bekommen, denn angeblich soll wenn man die Sanddünen runterschlittert der Sand ein ganz bestimmtes Geräusch machen. Forscher haben noch nicht so ganz raus gefunden warum, wieso, weshalb, aber es scheint doch ein einzigsartiges Phänomen auf dieser Erde zu sein. Wir haben es allerdings nicht gehört. Das könnte natürlich daran liegen, dass wir zu beschäftigt waren die Dünen herunter zu kullern und Sandburgen zu bauen. Tatsächlich haben wir uns sehr wie kleine Kinder in einem riesen Sandkasten benommen, aber ich schätze das muss auch mal sein :) Da diese Wüste recht nah an verschiedenen Städten liegt, ist die Touristenrate hier auch recht hoch, zuletzt nicht auch dem Fakt geschuldet, dass hier die Tourismusbranche ein Finanzloch gesehen hat und jetzt ordentlich aufrüstet mit Sandschlittenfahren, Kamelreiten, Eisenbahnfahren, einem Swimmingpool, diversen Shows an verschiedenen Stellen, welche einem die mongolische Kultur näher bringen soll. All das ist an verschiedenen Stationen in der Wüste und verbunden mit den verschiedensten Reisemittel und in den Stationen muss man auch gar nicht den Sand betreten, denn alles ist ausgelegt mit Holzplanken. Besonders praktisch für die Schickimickitouristen, die mit Highheels in die Wüste gehen. Glücklicherweise ist in der Inneren Mongolei noch Off-Season, sodass sich die Anzahl nerviger Touristen in Grenzen gehalten hat und wir die Gelegenheit hatten über unberührte Dünen zu stiefeln und auf den Dünenkämmen sitzen zu können und von dort einen wunderbaren Ausblick über die gesamte Wüste und die dahinter anfangende Stadt hatten. Nachdem wir dann Sand in jeder Hosentasche, jedem Schuh und jeder Öffnung unseres Körpers und wir alle einen kleinen Sonnenbrand bekommen hatten, haben wir uns zurück nach Baoutou fahren lassen. Wo wir nach einer ausgiebigen Dusche und stundenlangem Kartenspiel todmüde ins Bett gefallen sind. 
Die Karawane zieht weiter

Diese Käfer sind in einem Mordstempo überall die Dünen hoch und runter gekrabbelt

Sandengel

Sandfiguren, welche Schneewitchen nacherzählt haben, leider zum Großteil schon recht zerstört



Sanddünenrunterrollen darf natürlich auch nicht fehlen

Diese lustigen Sandsocken hatten alle an die auf keinen Fall mit der Natur in Berührung kommen wollten

Pause

Wenn der Sand doch zu viel wird!

Wer hätte gedacht, dass Kängurus sich auch in der Wüste wunderbar tarnen können?




Unseren letzten Tag sind wir dann auch ganz entspannt angegangen und haben uns auf den Weg ins städtische Grasland gemacht. Dieses erinnert eher an einen schlecht gepflegten Park mit zu wenig Wasser, war aber mit seinen kleinen Jurten und einem riesigen Aobao, von welchen jede Menge tibetische Gebetsflaggen herunterwehen, doch irgendwie recht hübsch. Neben den regionalen mongolischen Religionen, hat der tibetische Buddhismus hier einen sehr großen Einfluss, was der Grund ist dafür, dass man oftmals die bunten Flaggen im mongolischen Wind wehen sieht. In diesem kleinen Grasland gab es auch ein kleines Wildgehege mit einigen Hirschen und Rehen, die allerdings nicht besonders gesund aussahen. Da der mongolische Name der Stadt übersetzt „Ort mit Hirschen“ bedeutet, erklärt sich dieses Hirschgehe, sowie diverse Hirschstatuen die überall in der Stadt verteilt sind.
Das städtische Grasland, weniger spektakulär
Da das Wetter mal wieder auf unserer Seite war, haben wir uns spontan zwei Dreiräder (also nicht die klassischen Kleinkinddreiräder, sondern Tandemräder für drei Personen) ausgeliehen und sind damit eine Weile durch das Grasland gefahren. Als es dann aber zu heiß und der Hunger zu groß wurde, haben wir das Grasland verlassen und haben uns auf eine erfolgreiche Nahrungssuche begeben. Da wir nicht wussten was man sonst noch schönes in der Stadt machen kann, haben wir uns einfach in einem kleinen Park niedergelassen und (wer hätte es gedacht) Karten gespielt. Dabei sind wir recht enthusiastisch vorgegangen und haben die Aufmerksamkeit diverser Leute auf uns gezogen, denn an anderen Stellen in diesem Park spielten bereits jede Menge alte Leute Karten und hin und wieder blieb auch dort der eine oder andere stehen um den Spielverlauf zu beobachten. Wir hatten auf jeden Fall jede Menge Spaß beim Spielen und haben auf diese Art und Weise den Nachmittag ganz schnell rum gebracht. 




Milchtee mit Käse
Am Abend haben wir uns dann auf den Weg zu einem typisch mongolischen Restaurant gemacht. Dieses wurde uns von einer Dame in einem Modegeschäft empfohlen, als wir sie fragten wo man ein solches denn finden kann, soviel also zur mongolischen Freundlichkeit. Nach langem Suchen hatten wir es jedenfalls gefunden und haben geschlemmt was das Zeug hält. Auf der Speisekarte für uns stand also zuerst eine Art Milchtee, in welchen man Käse getan hatte (mongolischer Käse schmeckt ganz anders als man es als Europäer kennt, aber trotzdem ziemlich gut, auch ist er nicht schnittfest, sondern eher wie Frischkäse). Jedenfalls landete dieser im Tee, nicht so ganz mein Geschmack aber den anderen hat es gefallen. Als nächstes gab es Joghurt mit einer Art kleiner Cornflakeskrümmel (unglaublich lecker!), diverses Gemüse, natürlich auch eine Lammkeule, diesmal jedoch wurde sie uns über einem kleinen Feuerchen serviert und man konnte mit seiner sehr langen Gabel und dem dazugehörigen auch sehr langem Messer sich die Stücke direkt von der Keule schneiden (ziemlich cool und soooooo lecker!). Das Beste jedoch war der mongolische Käse, welcher frittiert und danach karamellisiert wurde. Wirklich unglaublich lecker! Als wir dann alle gesättigt waren, haben wir beschlossen, dass dies eines der besten Essen war die je in China hatten und dass wir unbedingt mongolisches Essen in Nanjing suchen müssen. Da der Abend noch jung war, sind wir dann noch zum KTV gegangen und haben danach eine weitere Nacht in schönen weichen Betten genossen. 

Babyschaf (oder zumindest ein Teil davon)

Denn am nächsten Tag ging es auch schon wieder zurück nach Nanjing. Im Prinzip mit demselben Zug, doch diesmal hatten wir aus Kostengründen nur Sitzplätze gebucht. Uns standen also 19 Stunden sitzend im Zug bevor. An und für sich war das auch kein Problem, wir haben Karten und andere Spiele gespielt, all unsere restlichen Vorräte aufgefuttert, über Gott und die Welt geredet und schon war es um eins in der Nacht und wir nur noch fünf Stunden von Nanjing entfernt. An diesem Punkt haben wir dann allerdings den Fehler begangen, schlafen zu wollen, was fast ein Ding der Unmöglichkeit ist, denn die Lichter wurden nicht ausgeschaltet oder gedimmt, in den Zwischengängen wurde immer noch geraucht (wirklich ganz toll, wenn eine halbe Stunde nach Start der ganze Zug schon wie Kneipe stinkt) und die Lehnen unserer Sitze waren unbequem aufrecht.
Wir haben es uns dann versucht so bequem wie möglich zu machen, auf der Schulter von den anderen, mit Hilfe von Pullis und Schals oder einfach quer über die Beine der anderen gelegt. Erfolgreich waren wir jedoch mit all diesen Techniken eher weniger und als wir in Nanjing ankamen, waren wir nicht nur müde, sondern auch ordentlich verspannt. Ob es den Mitreisenden, welche nur einen Stehplatz hatten und die auf ihren Miniklappstühlen (die haben wirklich nur die Größe einer halben Pobacke) mitten im Gang und vor dem Klo geschlafen haben besser ergangen ist, da bin ich mir auch nicht so sicher, allerdings haben die sich von keinem stören lassen, der des Nachtens über sie drüber klettern musste. Im Großen und Ganzen war auch das wieder eine sehr interessante Erfahrung und im Gegensatz zu den anderen würde ich das jederzeit wieder machen. 



Von der Sonne Braun gebrutzelt und tief entspannt von unserer Reise zurückgekehrt waren wir nun also fit um uns wieder dem Unialltag zu stellen. 

Das war es nun zu meinem Abenteuer in der wunderschönen Inneren Mongolei.

Bis zum nächsten Mal mit sonnigen Grüßen

Eure Jana!