Hallihallo,
ich glaube
vor einiger Zeit habe ich das chinesische Organisationstalent der Chinesen sehr
lobend erwähnt, da sie wirklich gut in der Lage sind große Massen schnell und
effektiv durch das öffentliche Verkehrswesen zu führen. Dieses Talent scheint
sich allerdings nicht auf den privaten Sektor auszubreiten. Warum genau dieses Fehlen an Fähigkeit einige Tage für mich und einige andere Freunde durchaus
weniger angenehm gemacht hat, erfahrt ihr jetzt:
Vor zwei
Wochen hat meine Kalligrafielehrerin mich gefragt ob ich denn nicht Lust hätte
an einer Reise nach Guizhou 贵州 (eine Provinz im Süden von China) teilzunehmen,
ein Reiseunternehmen möchte diese Gegend unter den europäische Touristen mehr
verbreiten und bezahlt uns deswegen Flug, Hotel und Essen. Klingt doch gar
nicht so schlecht und deswegen hab ich auch gleich mal zugesagt.
Am Mittwoch
ging es dann zusammen mit Jose, Peio (der auch aus Spanien kommt), Lea, Alicia
(Russland) und Vilena (Weißrussland) los. Wir hatten uns den Tag vorher mit der
Lehrerin die uns begleiten soll und den drei Organisatoren aus Guizhou
getroffen und ein wenig unterhalten, dabei haben sie uns gefragt was wir denn
so für Hobbies haben und wie unser Chinesischniveau ist. Da die gesamte
Konversation auf Chinesisch geführt wurde, hatten sie auch gleich einen
Einblick wie gut wir sie verstehen und selber sprechen können. Wir waren ein
wenig skeptisch, als unsere Lehrerin sie fragte was wir denn alles machen und
als Antwort immer nur zu hören bekam: das steht noch nicht fest und dieses und
jenes machen wir nicht unbedingt. Na großartig, also alles ganz spontan, warum
auch nicht?
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Was man nicht alles macht um die Langeweile zu vertreiben |
Unglücklicherweise hatte dann unser Flugzeug nach Guiyang 贵阳 (der Hauptstadt von Guizhou) erst einmal schöne sechs Stunden Verspätung. Ist zwar nicht
schön, aber wenigstens hat die Airline Essen verteilt und mit ein paar
Spielkarten lässt sich das schon aushalten. Weniger schön war die Tatsache,
dass wir von Guizhou aus noch vier Stunden mit dem Bus nach Libo 荔波 fahren mussten, wo wir dann Nachts um eins angekommen sind. Schnell
ins Hotel eingecheckt (uns wurden fünf Sterne versprochen, doch leider war das
nur der Name des Hotels, wenn es drei Sterne hatte, dann ist das wahrscheinlich
schon sehr übertrieben) und dann noch etwas zum Abendbrot gegessen. Hier hat
sich dann auf einmal eine Chinesin zu uns gesellt und gleich mal gefragt wie
denn unser Englisch so sei und ob wir denn von Chinesisch zu Englisch
übersetzten können. Wir daraufhin: englisch ist kein Problem, chinesisch
allerdings schon. Sie meinte dann nur, naja ihr schafft das schon, ihr müsst
nur die Schlüsselwörter der Touriguides übersetzten. Also ich weiß ja nicht wie
es euch gehen würde, aber wenn mir jemand nachts um zwei erklärt ich muss am
nächsten Tag Übersetzungen für Touristen von einem Touriguide für eine Gegend
machen, die ich überhaupt nicht kenne, dann bin ich da nicht so glücklich
drüber. Ging den Anderen zum Glück auch nicht anders, war ihr aber leider
völlig egal. Sie hat uns dann einfach eingeteilt und einen neun Seiten langen
Text gegeben und gesagt, dass ist was die Guides morgen erzählen, viel Spaß und
seid pünktlich.
An diesem
Punkt kamen wir uns schon ein wenig verarscht vor, denn niemand hat uns gesagt
dass wir Übersetzungen machen müssen. Eine der Begleiterinnen hat während des
Fluges erwähnt, dass wir den Gästen helfen sollen, wenn diese das Klo suchen
oder etwas kaufen möchten, da keiner von denen Chinesisch spricht. Das wäre für
uns kein Problem gewesen, denn simple Alltagskonversationen machen wir ja hier
jeden Tag, aber professionelle Übersetzungen übersteigen leider unser Niveau um Einiges.
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Libo, der Wohlstand lässt noch auf sich warten |
Am nächsten
Morgen jedenfalls wurde Lea schon früh um sieben aus dem Bett gejagt und allein
mit der netten Dame die uns die frohe Botschaft während der Nacht verkündet hat
losgeschickt. Wie sich herausstellte kann diese Frau ziemlich gut Englisch
sprechen, jedenfalls viel besser als Lea Chinesisch und zusammen sind sie vier
Stunden zurück nach Guiyang gefahren, haben einige Gäste eingesackt und sind
wieder zurück nach Libo gefahren.
Jose hatte
das Glück in irgendeinem Büro Teile des Textes übersetzten zu dürfen und hat
den Nachmittag im Hotel verbracht. Wir anderen vier haben in wilder Panik am
Vormittag die ersten fünf Seiten des Textes übersetzt und festgestellt, dass es
doch schon ganz schön schwer ist, selbst für Vilena, deren Chinesisch mit
Abstand am besten ist. Als wir gerade anfangen wollten unser Mittagessen in uns
zu stopfen, wurden Peio und ich dann auch von einer Chinesin weggezerrt, mit
der Erklärung wir können jetzt nicht warten bis ihr aufgegessen habt (wir
hatten wirklich gerade einmal zwei Bissen gegessen) und auch nicht darauf dass
ihr eure Sachen, die ihr braucht, aus dem Hotel holt. Wunderbar! Anschließend
haben wir dann aber trotzdem noch eine Viertelstunde im Bus gewartet, bis doch
jemand unser Zeug geholt hatte (da hätten wir auch ruhig noch etwas essen
können). Danach sind wir losgefahren, durch eine wirklich bezaubern schöne
Landschaft: grüne Berge, Reisfelder die gerade von den Bauern mit Kühen und
größtenteils per Hand für den Reisanbau vorbereitet wurden und fast ein wenig
blauer Himmel (in Nanjing wurde uns klare Luft und blauer Himmel versprochen).
Im Bus saßen einige Chinesen, welche von einer der vielen Minderheiten der
Gegend stammen und die traditionelle Kleidung dieser Stämme trugen. Es war nur
ein wenig demotivieren, denn die eine Hälfte dieser Leute hat uns nicht einmal
gegrüßt, geschweige denn mit uns geredet und die Hauptverantwortliche, hat uns
nur noch mehr Mut gemacht, als die uns erklärte, dass die Seiten welche wir
übersetzt hatten nicht brauchen, da keine Zeit ist um diese Orte zu besuchen. Und sie war auch ganz überrascht, dass wir
nicht besser vorbereitet sind. Netterweise wurde allen Leuten in Libo erklärt,
dass wir Freiwillige sind und deswegen haben alle erwartet, dass wir genau
wissen warum wir hier sind, dass wir
alle super Chinesisch sprechen und die Texte schon übersetzt haben. Na, Prost
Mahlzeit! Wir haben dann jedenfalls eine Horde Touristen von einem Bahnhof
irgendwo im Nirgendwo abgeholt und sind wieder zurück nach Libo gefahren. Da
Peios Chinesisch umso einiges besser ist als meins, hat er das Übersetzen
übernommen. Eigentlich sollten es nur ganz einfache Dinge zur Begrüßung sein,
allerdings hat unsere freundliche Tourguidin spontan improvisiert und dann
angefangen über die Lage der Region, die Minderheiten etc. zu reden. Leider hat
sich ein Großteil der von ihr verwendeten Vokabeln weder in Peios, noch in
meinem Wortschatz befunden und so war die Übersetzung eine Katastrophe.
Glücklicherweise hat sich eine Taiwanesin an Bord befunden, welche in den
Staaten wohnt und sowohl Chinesisch als auch Englisch perfekt spricht. Später
hat sie uns erklärt, dass sie schon öfters solche Übersetzungsjobs gemacht hat.
Na toll, warum sind wir dann eigentlich hier? Sie war auch nicht die einzige
deren Chinesischkenntnisse umso einiges besser waren als unsere und somit haben
wir uns extrem nutzlos gefühlt.

Zurück in
Libo gab es dann ein fixes Abendbrot und dann ging es zu einer Wassershow, bei
der die verschiedenen örtlichen Minderheiten gesungen und getanzt haben. An und
für sich recht hübsche Sache, allerdings hat man durchaus gesehen dass die
Tänze zum Großteil sehr modern waren und somit mal wieder nur die Touristen
bedient werden, aber leider weniger die Tatsachen.
Am nächsten
Morgen ging es dann auch ohne Umschweife weiter mit der Arbeit. Der eigentliche
Anlass warum all die Gäste nach Libo gekommen sind, war eine Konferenz zur
touristischen Entwicklung der Region. Diese Konferenz fand dann auch am Freitag
statt und zwar in einem kleinen Dorf in den Bergen in der Nähe von Libo.
Ursprünglich war dieses Dorf nur von einer der Minderheiten bewohnt und sehr
klein, vielleicht einer handvoll von Familie. Doch wie es der Tourismus nun
einmal so will, hatte jemand die grandiose Idee die traditionellen Häuser
nachzubauen und Museen hinein zusetzten, damit man sehen kann wie die Menschen
hier leben. So ganz authentisch ist das allerdings nicht, denn die Häuser sehen
alle sehr neu aus (was sie ja auch sind), besonders da sie direkt neben den Originalgebäuden stehen, aber einige geübte Augen haben dann
auch festgestellt, dass auch die Bauweise nicht so ganz original ist. Besonders
authentisch war vor allem das Hotel, denn mit Klimaanlage, Flatscreen und allem
was man sich so von einem Hotel wünscht, kann man nicht wirklich vom Leben wie
die Minderheiten die Rede sein. Die Konferenz an und für sich war für uns auch
recht langweilig, denn bei 30°C und drückender Schwüle macht es weniger Spaß
zwanzig Leuten beim Redenhalten zu zuhören. Wir sind dafür ein wenig durch das
Dorf gestromert. Hier einige Impressionen:
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Das örtliche Reiseweinbrennereimuseum |
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Ahnenverehrung (aus unerfindlichen Gründen sind die Stühle überall in der Region von der Größe eines Kleinkindstuhls) |
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Sieht das für euch wie ein traditionelles Dorf aus? |
Nachdem auch
das erledigt war, wurden wir schon wieder zum Bus zurück gejagt, denn der
nächste Programmpunkt stand auf dem Programm: eine weitere Aufführung. Auch
diesmal ging es um die Minderheiten, genauer gesagt wurde uns eine Legende
vorgetanzt und –gesungen. Zwar schienen die Lieder wieder original, allerdings
war der Tanz und auch die Musik von der modernen Gattung, alles zusammen wieder
recht hübsch anzuschauen, allerdings wie immer mit zu viel Drama verbunden und
nicht ganz original.
Da wir schon
ein wenig geschafft waren von der Hitze und unsere begleitende Lehrerin auch
recht sauer war auf die Organisatoren, mussten wir am Nachmittag nicht mehr
übersetzten und durften trotzdem auf einen Ausflug mitgehen (das hat
anscheinend einige Überredungskunst von Seitens unserer Lehrerin gekostet). Für
uns ging es dann mit den anderen Gästen zusammen zum 小七孔
(xiaoqikong).

Dies ist eine süße kleine Brücke mit sieben Bögen,
welche schon seit sehr langer Zeit an dieser Stelle steht und früher eine sehr
wichtige Verbindung über den Fluss darstellte, heute allerdings nur noch für
den Tourismus wichtig ist. Glücklicherweise kann man von diesem Punkt aus
ziemlich lang am Fluss entlang laufen und findet immer wieder Wasserkaskaden
und recht stattliche Wasserfälle. An einigen Stellen konnte man sogar seine
Füßchen ins klare Wasser halten und sich ein wenig abkühlen lassen. Da wir
jedoch eine Gruppe von bestimmt hundert Leuten waren und alle Schäfchen mehr
oder weniger beisammen gehalten werden mussten, haben wir den zweiten Teil des
Ausflugs immer einen Bus von einem Wasserfall zum nächsten schönen
Flussabschnitt genommen.Ganz der chinesische Tourist halt!

Das hat auch soweit ganz gut funktioniert und somit
haben wir wahrscheinlich mal wieder mehr Zeit darauf verwendet auf den Bus zu
warten als eigentlich etwas von der Landschaft zu sehen. Aber immerhin besser
als gar nichts zu sehen und genossen haben wir den Ausflug auf jeden Fall
trotzdem sehr, denn er sollte das einzige bisschen Freiheit sein, was wir bei
dem ganzen Guizhouabenteur erhalten sollten. Denn als wir zurück in Libo waren,
waren wir so erschöpft, dass wir sofort nach dem Abendbrot ins Bett gefallen
sind, nur um am nächsten morgen früh aufzustehen und beim Frühstück die frohe
Botschaft verkündet bekommen haben, dass unser Flug von Libo nach Guiyang
(250km!) gekänzelt wurde. Zum Glück, denn wir haben ein wenig über das Flugzeug
gelesen und das war keineswegs beruhigend, hier nur so viel: in der EU und den
USA hat es keine Fluggenehmigung. Allerdings wurde dann doch noch fix ein Transporter
besorgt der uns zu unserem eigentlichen Flugzeug in Guiyang brachte und schon
waren wir wieder zurück in Nanjing.
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Mächtig gewaltig! |
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Die Touristen vom Dienst |
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Eine unserer "Chefs" in traditioneller Kleidung |
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Kurt findest auch ganz toll hier! |
Im Großen
und Ganzen war es zwar kein sonderlich angenehmer Ausflug für uns, denn die
Organisation des für uns wichtigen Teils war leider nicht vorhanden, aber wenn
es darum geht jemanden zu beeindrucken, dann scheut der Chinese keine Kosten
oder Mühen.
Soweit erst
einmal zu den neusten Merkwürdigkeiten und meinem Abenteuer in Guizhou. Und
obwohl sich das Semester und somit auch mein Chinaaufenthalt leider viel zu
schnell dem Ende nähert, wird das gewiss nicht das Letzte sein was ihr von mir
hier hört!
Allerliebste Grüße wie immer von eurer Jana