von Einer die auszog die Welt zu erkunden Teil 2

Mittwoch, 3. Juni 2015

Merkwürdigkeiten China Teil 10 oder auch das chinesische Organisationstalent



Hallihallo,

ich glaube vor einiger Zeit habe ich das chinesische Organisationstalent der Chinesen sehr lobend erwähnt, da sie wirklich gut in der Lage sind große Massen schnell und effektiv durch das öffentliche Verkehrswesen zu führen. Dieses Talent scheint sich allerdings nicht auf den privaten Sektor auszubreiten. Warum genau dieses Fehlen an Fähigkeit einige Tage für mich und einige andere Freunde durchaus weniger angenehm gemacht hat, erfahrt ihr jetzt:

Vor zwei Wochen hat meine Kalligrafielehrerin mich gefragt ob ich denn nicht Lust hätte an einer Reise nach Guizhou 贵州 (eine Provinz im Süden von China) teilzunehmen, ein Reiseunternehmen möchte diese Gegend unter den europäische Touristen mehr verbreiten und bezahlt uns deswegen Flug, Hotel und Essen. Klingt doch gar nicht so schlecht und deswegen hab ich auch gleich mal zugesagt. 

Am Mittwoch ging es dann zusammen mit Jose, Peio (der auch aus Spanien kommt), Lea, Alicia (Russland) und Vilena (Weißrussland) los. Wir hatten uns den Tag vorher mit der Lehrerin die uns begleiten soll und den drei Organisatoren aus Guizhou getroffen und ein wenig unterhalten, dabei haben sie uns gefragt was wir denn so für Hobbies haben und wie unser Chinesischniveau ist. Da die gesamte Konversation auf Chinesisch geführt wurde, hatten sie auch gleich einen Einblick wie gut wir sie verstehen und selber sprechen können. Wir waren ein wenig skeptisch, als unsere Lehrerin sie fragte was wir denn alles machen und als Antwort immer nur zu hören bekam: das steht noch nicht fest und dieses und jenes machen wir nicht unbedingt. Na großartig, also alles ganz spontan, warum auch nicht? 
Was man nicht alles macht um die Langeweile zu vertreiben
Unglücklicherweise hatte dann unser Flugzeug nach Guiyang 贵阳 (der Hauptstadt von Guizhou) erst einmal schöne sechs Stunden Verspätung. Ist zwar nicht schön, aber wenigstens hat die Airline Essen verteilt und mit ein paar Spielkarten lässt sich das schon aushalten. Weniger schön war die Tatsache, dass wir von Guizhou aus noch vier Stunden mit dem Bus nach Libo 荔波 fahren mussten, wo wir dann Nachts um eins angekommen sind. Schnell ins Hotel eingecheckt (uns wurden fünf Sterne versprochen, doch leider war das nur der Name des Hotels, wenn es drei Sterne hatte, dann ist das wahrscheinlich schon sehr übertrieben) und dann noch etwas zum Abendbrot gegessen. Hier hat sich dann auf einmal eine Chinesin zu uns gesellt und gleich mal gefragt wie denn unser Englisch so sei und ob wir denn von Chinesisch zu Englisch übersetzten können. Wir daraufhin: englisch ist kein Problem, chinesisch allerdings schon. Sie meinte dann nur, naja ihr schafft das schon, ihr müsst nur die Schlüsselwörter der Touriguides übersetzten. Also ich weiß ja nicht wie es euch gehen würde, aber wenn mir jemand nachts um zwei erklärt ich muss am nächsten Tag Übersetzungen für Touristen von einem Touriguide für eine Gegend machen, die ich überhaupt nicht kenne, dann bin ich da nicht so glücklich drüber. Ging den Anderen zum Glück auch nicht anders, war ihr aber leider völlig egal. Sie hat uns dann einfach eingeteilt und einen neun Seiten langen Text gegeben und gesagt, dass ist was die Guides morgen erzählen, viel Spaß und seid pünktlich.
An diesem Punkt kamen wir uns schon ein wenig verarscht vor, denn niemand hat uns gesagt dass wir Übersetzungen machen müssen. Eine der Begleiterinnen hat während des Fluges erwähnt, dass wir den Gästen helfen sollen, wenn diese das Klo suchen oder etwas kaufen möchten, da keiner von denen Chinesisch spricht. Das wäre für uns kein Problem gewesen, denn simple Alltagskonversationen machen wir ja hier jeden Tag, aber professionelle Übersetzungen übersteigen leider unser Niveau um Einiges.
Libo, der Wohlstand lässt noch auf sich warten

Am nächsten Morgen jedenfalls wurde Lea schon früh um sieben aus dem Bett gejagt und allein mit der netten Dame die uns die frohe Botschaft während der Nacht verkündet hat losgeschickt. Wie sich herausstellte kann diese Frau ziemlich gut Englisch sprechen, jedenfalls viel besser als Lea Chinesisch und zusammen sind sie vier Stunden zurück nach Guiyang gefahren, haben einige Gäste eingesackt und sind wieder zurück nach Libo gefahren. 

Jose hatte das Glück in irgendeinem Büro Teile des Textes übersetzten zu dürfen und hat den Nachmittag im Hotel verbracht. Wir anderen vier haben in wilder Panik am Vormittag die ersten fünf Seiten des Textes übersetzt und festgestellt, dass es doch schon ganz schön schwer ist, selbst für Vilena, deren Chinesisch mit Abstand am besten ist. Als wir gerade anfangen wollten unser Mittagessen in uns zu stopfen, wurden Peio und ich dann auch von einer Chinesin weggezerrt, mit der Erklärung wir können jetzt nicht warten bis ihr aufgegessen habt (wir hatten wirklich gerade einmal zwei Bissen gegessen) und auch nicht darauf dass ihr eure Sachen, die ihr braucht, aus dem Hotel holt. Wunderbar! Anschließend haben wir dann aber trotzdem noch eine Viertelstunde im Bus gewartet, bis doch jemand unser Zeug geholt hatte (da hätten wir auch ruhig noch etwas essen können). Danach sind wir losgefahren, durch eine wirklich bezaubern schöne Landschaft: grüne Berge, Reisfelder die gerade von den Bauern mit Kühen und größtenteils per Hand für den Reisanbau vorbereitet wurden und fast ein wenig blauer Himmel (in Nanjing wurde uns klare Luft und blauer Himmel versprochen). Im Bus saßen einige Chinesen, welche von einer der vielen Minderheiten der Gegend stammen und die traditionelle Kleidung dieser Stämme trugen. Es war nur ein wenig demotivieren, denn die eine Hälfte dieser Leute hat uns nicht einmal gegrüßt, geschweige denn mit uns geredet und die Hauptverantwortliche, hat uns nur noch mehr Mut gemacht, als die uns erklärte, dass die Seiten welche wir übersetzt hatten nicht brauchen, da keine Zeit ist um diese Orte zu besuchen.  Und sie war auch ganz überrascht, dass wir nicht besser vorbereitet sind. Netterweise wurde allen Leuten in Libo erklärt, dass wir Freiwillige sind und deswegen haben alle erwartet, dass wir genau wissen warum wir hier  sind, dass wir alle super Chinesisch sprechen und die Texte schon übersetzt haben. Na, Prost Mahlzeit! Wir haben dann jedenfalls eine Horde Touristen von einem Bahnhof irgendwo im Nirgendwo abgeholt und sind wieder zurück nach Libo gefahren. Da Peios Chinesisch umso einiges besser ist als meins, hat er das Übersetzen übernommen. Eigentlich sollten es nur ganz einfache Dinge zur Begrüßung sein, allerdings hat unsere freundliche Tourguidin spontan improvisiert und dann angefangen über die Lage der Region, die Minderheiten etc. zu reden. Leider hat sich ein Großteil der von ihr verwendeten Vokabeln weder in Peios, noch in meinem Wortschatz befunden und so war die Übersetzung eine Katastrophe. Glücklicherweise hat sich eine Taiwanesin an Bord befunden, welche in den Staaten wohnt und sowohl Chinesisch als auch Englisch perfekt spricht. Später hat sie uns erklärt, dass sie schon öfters solche Übersetzungsjobs gemacht hat. Na toll, warum sind wir dann eigentlich hier? Sie war auch nicht die einzige deren Chinesischkenntnisse umso einiges besser waren als unsere und somit haben wir uns extrem nutzlos gefühlt. 

Zurück in Libo gab es dann ein fixes Abendbrot und dann ging es zu einer Wassershow, bei der die verschiedenen örtlichen Minderheiten gesungen und getanzt haben. An und für sich recht hübsche Sache, allerdings hat man durchaus gesehen dass die Tänze zum Großteil sehr modern waren und somit mal wieder nur die Touristen bedient werden, aber leider weniger die Tatsachen. 

Am nächsten Morgen ging es dann auch ohne Umschweife weiter mit der Arbeit. Der eigentliche Anlass warum all die Gäste nach Libo gekommen sind, war eine Konferenz zur touristischen Entwicklung der Region. Diese Konferenz fand dann auch am Freitag statt und zwar in einem kleinen Dorf in den Bergen in der Nähe von Libo. Ursprünglich war dieses Dorf nur von einer der Minderheiten bewohnt und sehr klein, vielleicht einer handvoll von Familie. Doch wie es der Tourismus nun einmal so will, hatte jemand die grandiose Idee die traditionellen Häuser nachzubauen und Museen hinein zusetzten, damit man sehen kann wie die Menschen hier leben. So ganz authentisch ist das allerdings nicht, denn die Häuser sehen alle sehr neu aus (was sie ja auch sind), besonders da sie direkt neben den Originalgebäuden stehen, aber einige geübte Augen haben dann auch festgestellt, dass auch die Bauweise nicht so ganz original ist. Besonders authentisch war vor allem das Hotel, denn mit Klimaanlage, Flatscreen und allem was man sich so von einem Hotel wünscht, kann man nicht wirklich vom Leben wie die Minderheiten die Rede sein. Die Konferenz an und für sich war für uns auch recht langweilig, denn bei 30°C und drückender Schwüle macht es weniger Spaß zwanzig Leuten beim Redenhalten zu zuhören. Wir sind dafür ein wenig durch das Dorf gestromert. Hier einige Impressionen:
Das örtliche Reiseweinbrennereimuseum
Ahnenverehrung (aus unerfindlichen Gründen sind die Stühle überall in der Region von der Größe eines Kleinkindstuhls)



Sieht das für euch wie ein traditionelles Dorf aus?

Nachdem auch das erledigt war, wurden wir schon wieder zum Bus zurück gejagt, denn der nächste Programmpunkt stand auf dem Programm: eine weitere Aufführung. Auch diesmal ging es um die Minderheiten, genauer gesagt wurde uns eine Legende vorgetanzt und –gesungen. Zwar schienen die Lieder wieder original, allerdings war der Tanz und auch die Musik von der modernen Gattung, alles zusammen wieder recht hübsch anzuschauen, allerdings wie immer mit zu viel Drama verbunden und nicht ganz original.
Da wir schon ein wenig geschafft waren von der Hitze und unsere begleitende Lehrerin auch recht sauer war auf die Organisatoren, mussten wir am Nachmittag nicht mehr übersetzten und durften trotzdem auf einen Ausflug mitgehen (das hat anscheinend einige Überredungskunst von Seitens unserer Lehrerin gekostet). Für uns ging es dann mit den anderen Gästen zusammen zum 小七孔 (xiaoqikong).
Dies ist eine süße kleine Brücke mit sieben Bögen, welche schon seit sehr langer Zeit an dieser Stelle steht und früher eine sehr wichtige Verbindung über den Fluss darstellte, heute allerdings nur noch für den Tourismus wichtig ist. Glücklicherweise kann man von diesem Punkt aus ziemlich lang am Fluss entlang laufen und findet immer wieder Wasserkaskaden und recht stattliche Wasserfälle. An einigen Stellen konnte man sogar seine Füßchen ins klare Wasser halten und sich ein wenig abkühlen lassen. Da wir jedoch eine Gruppe von bestimmt hundert Leuten waren und alle Schäfchen mehr oder weniger beisammen gehalten werden mussten, haben wir den zweiten Teil des Ausflugs immer einen Bus von einem Wasserfall zum nächsten schönen Flussabschnitt genommen.Ganz der chinesische Tourist halt!
Das hat auch soweit ganz gut funktioniert und somit haben wir wahrscheinlich mal wieder mehr Zeit darauf verwendet auf den Bus zu warten als eigentlich etwas von der Landschaft zu sehen. Aber immerhin besser als gar nichts zu sehen und genossen haben wir den Ausflug auf jeden Fall trotzdem sehr, denn er sollte das einzige bisschen Freiheit sein, was wir bei dem ganzen Guizhouabenteur erhalten sollten. Denn als wir zurück in Libo waren, waren wir so erschöpft, dass wir sofort nach dem Abendbrot ins Bett gefallen sind, nur um am nächsten morgen früh aufzustehen und beim Frühstück die frohe Botschaft verkündet bekommen haben, dass unser Flug von Libo nach Guiyang (250km!) gekänzelt wurde. Zum Glück, denn wir haben ein wenig über das Flugzeug gelesen und das war keineswegs beruhigend, hier nur so viel: in der EU und den USA hat es keine Fluggenehmigung. Allerdings wurde dann doch noch fix ein Transporter besorgt der uns zu unserem eigentlichen Flugzeug in Guiyang brachte und schon waren wir wieder zurück in Nanjing.


Mächtig gewaltig!


Die Touristen vom Dienst

Eine unserer "Chefs" in traditioneller Kleidung


Kurt findest auch ganz toll hier!
Im Großen und Ganzen war es zwar kein sonderlich angenehmer Ausflug für uns, denn die Organisation des für uns wichtigen Teils war leider nicht vorhanden, aber wenn es darum geht jemanden zu beeindrucken, dann scheut der Chinese keine Kosten oder Mühen.

Soweit erst einmal zu den neusten Merkwürdigkeiten und meinem Abenteuer in Guizhou. Und obwohl sich das Semester und somit auch mein Chinaaufenthalt leider viel zu schnell dem Ende nähert, wird das gewiss nicht das Letzte sein was ihr von mir hier hört!

Allerliebste Grüße wie immer von eurer Jana

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