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Wer sagt dass Müllfrauen nicht acuh traditionell gekleidet sein dürfen? |
Von
chinesischen Großstädten nun endlich die Nase voll, habe ich mich auf den Weg
nach Westen gemacht, genauer gesagt war mein erstes Ziel hier Kangding 康定, diese gilt auch als „Tor zu Tibet“ und sobald ich in dieser
Stadt ankam wusste ich warum. Denn hier fängt das Gebiert der Kham an, welche
mit zu der großen Tibetischen Minderheit gehören. Meistens erkennt man die Leute
daran, dass sie im Gegensatz zu den meisten Han-Chinesen noch traditionelle
Kleider tragen, hier handelte es sich um eine Art lange Jacke (bei Männern)
oder ein knöchellanges Kleid (bei Frauen), welche um den Körper gewickelt
werden, sodass man wenn es warm ist einfach einen Arm aus dem Ärmel nimmt und
sich so abkühlt. Kurze Sachen sind eher unpraktisch, denn selbst im Sommer ist
es hier recht kühlt zwischen bzw. auf den Bergen.

Die Frauen tragen oftmals
auch ihr Haar mal mehr oder weniger kunstvoll um den Kopf geschlungen und auch
bei einigen Männern habe ich das gesehen. Eine Mode bei den Frauen heutzutage scheint
allerdings zu sein, dass sie sich Hüte aufsetzten wie die Queen sie tragen würde. In Kombination mit den traditionellen Kleidern sehr witzig. Auch in
Statur unterscheiden sich die Kham und Tibeter sehr von den Han-Chinesen, denn
sie sind um einiges größer, haben dunklere Haut und schmalere Gesichter (keine
Vollmondgesichter). Was mich dann auch sehr positiv überrascht hat, war dass
hier alle Leute „normal“ gekleidet waren, also keine High-Heels die komplett
bescheuert aussahen, keine merkwürdig aussehenden oder geschnittenen
Kleidungsstücke, keine Schlafanzüge und noch dazu sahen alle aus als ob sie
ihre Kleidung erst gestern gekauft hätten. Im Allgemeinen hat Kangding einen
sehr guten Eindruck auf mich gemacht, mit seinen nur etwa 100.000 Einwohnern weitaus ruhiger als Chengdu und doch konnte man anhand der Läden sehen,
dass sich der Wohlstand hier schon eingefunden hat. Auch die Menschen wirken
gleich viel weniger gestresst und freundlicher. Die Stadt selber liegt in einem
Tal zwischen drei verschiedenen Bergen, welche ich mir zur Aufgabe gemacht habe
zu besteigen. Zwar bin ich an der Gipfelbesteigung erfolgreich gescheitert,
aber zum Wandern war es trotzdem schön.
Die erste
der beiden Wanderungen hat mich dann den Paoma-Berg 跑马山 hinauf
geführt. Oder zumindest bin ich bis auf etwa die Hälfte hoch gekommen, denn
dann hieß es: hier ist Schluss für Touristen. Beziehungsweise gab es cleverer
Weise keinen anderen Weg. Das Schöne war allerdings dass ich ganz allein auf
dem Weg war, denn chinesische Touristen nehmen natürlich den Sessellift für
einen, man kann fast sagen, Spaziergang. Oben angekommen hatte man dann einige
kleine Tempel im tibetischen Stil und eine wunderschöne Aussicht über die Stadt
und die umliegenden Berge. Zwar keine anstrengende Wanderung, aber doch ein
guter Einstieg in noch zu kommenden Ausflüge.

Meine zweite Wanderung am
nächsten Tag war dann schon um einiges abenteuerlicher. Ausgerüstet mit einer
Wegbeschreibung und einem Satellitenbild vom Hostel hab ich mich gleich hinter
dem Hostel, welches auch schon ein Stückchen den Berg rauf lag, auf den Weg
gemacht einen namenlosen Berg hinauf. Der erste Teil hat mich über einen
Friedhof geführt, jedoch sind diese hier eher nur eine lose Ansammlung an
Gräbern ohne jegliche Absperrungen. Der Weg war oftmals ein kleiner Weg und
die meiste Zeit sogar nur ein Trampelpfad. Ganz oft hingen dann auch
die tibetischen Gebetsflaggen überall zwischen den Büschen und den Bäumen und
es scheint als ob dies immer dann der Fall ist, wenn etwas Besonderes an dieser
Stelle ist. Gräber zählen da auf jeden Fall mit dazu, aber auch um Tempel und
Berggipfel findet man diese oft. Irgendwann stieg der Pfad auch immer steiler
an und ging zwischen Bäumen hindurch an welchen jede Menge Flechten herunter
hingen, sodass es aussah als ob den Bäumen Bärte wachsen.
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Oben! Irgendwie :) |
Aber auch die Bäume
wurden kleiner je höher man kam und irgendwann gab es nur noch kleinere Büsche
und vor mir breitete sich eine Grassebene aus, die schon sehr wie die Alpen
aussah. Das einzige was es von den Alpen unterschieden hat waren die
Gebetsflaggen, aber ansonsten sah es wirklich genauso aus. Nach langem Suchen
habe ich dann auch endlich den Weg nach unten gefunden, allerdings war der nach
einer Weile von einigen Büschen versperrt und dahinter stand ein Pferd. Da ich
auch keinen Durchweg gesehen habe, bin ich wieder umgekehrt und hatte mich
schon damit abgefunden noch einen anderen Weg suchen zu müssen, als ich hinter
mir ein Geräusch gehört habe. Als ich mich umdrehte stand besagtes Pferd auf
einmal hinter mir. Ich dachte wirklich ich spinne, habe es vorbei gelassen und bin wieder zurück
nur um feststellen zu müssen, dass dieses Riesenpferd sich durch eine
unglaublich kleine Öffnung in den Büschen (die auch noch Dornen hatten)
durchgequetscht hat.
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Auf dem Weg nach unten |
Da dachte ich mir, wenn das Pferd da durch passt, dann
schaffe ich das auch. Ging dann auch gerade so und ich habe mir auch nur mit
viel Glück nicht alle meine Klamotten zerrissen. Allerdings wurde ich auf dem
weiteren Weg noch ordentlich von Büschen die mehr oder weniger direkt auf dem
Weg wuchsen zerkratz, meine Schuhe waren einmal mit einer dicken Schlammschicht
überzogen, denn dank diverser Pferde und Kühe (die sich auch immer mal wieder
direkt auf den Weg gestellt haben) war der Weg, schon vom Regen durchgeweicht,
nur eine schlammige Angelegenheit. Ein wenig war dieser Weg wie eine von Muddis
berühmt berüchtigten Abkürzungen, nur länger. Irgendwann, nachdem ich mich auch
noch auf diesen kleinen Wegen verlaufen hab, bin ich dann aber doch noch unten
angekommen. Müde zwar aber trotzdem glücklich dass mir diese kleine Wanderung
den richtigen Anstoß nach mehr wandern gegeben hat.
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Solche Dornen gab es auf dem Weg!!! |
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und so viele Gebetsflaggen die überall herum hingen |
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und so schöne Blümchen |
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und das ist der Blick auf die gestrige Wandertour |
Am Ende des
Tages habe ich mich dann wieder zusammen mit ein paar Chinesinnen und einem
Tibeter unterhalten und feststellen dürfen, dass mein Chinesisch nicht
großartig ist, aber doch genug um halbwegs ordentliche Unterhaltungen führen
können. Wahrscheinlich reicht es halt nur noch nicht aus um einen zweijährigen
Jungen zu verstehen. Der Tibeter, der als Reiseführer in der Region arbeitet,
allerdings als Nomade aufgewachsen war, hatte uns dann auch einige Dinge über
die Berge erzählt und auch über das horrende Müllproblem der Chinesen und es
war wirklich sehr interessant dies aus der Sicht eines Einheimischen zu sehen.
Am nächsten
Tag ging es dann auch schon weiter nach Litang. Auf einer acht-Stunden-Busfahrt
fuhren wir nun also direkt ins Tibetenland hinein (und das ohne wirklich in
Tibet zu sein). Unterwegs ging es über ein Hochplateau, welches grüne Hügel und
Wiesen hatte und gespickt war mit Kühen und traditionellen tibetischen Häusern.
Diese waren alle aus Stein gebaut, hatten zwei Etagen und schön bunt
bemalte Fensterrahmen. Von dieser Art Haus sollte ich in Litang noch jede Menge
weitere sehen. Die Busfahrt an sich war auch sonst recht abenteuerlich, denn einen der Berganstiege mussten wir auf einer sehr alten unbefestigten Straße
zurück legen, welche sich sehr abenteuerlich den Berg hinaufwand. Dabei wäre
das gar nicht so schlimm gewesen, allerdings hatte man noch lasterartigen
Gegenverkehr und verrückte Radfahrer auf einer Straße, welche ausgelegt war für
zwei PKWs. Um dem Ganzen noch ein Schaumkrönchen auf zusetzten, ging es an der
einen Seite (ohne Begrenzung) sehr steil den Berg hinunter und unten konnte man
sehen wie eine neue Straße schon fast fertig gebaut war. Zum Glück wurde man
immer mal wieder mit einer atemberaubend schönen Aussicht über die 5000m hohen
Berge belohnt.
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Hauptstraße die Erste |
In Litang 理塘 angekommen wurde man auch erst einmal von den
unglaublich guten Straßenverhältnissen in Empfang genommen. Nein, falsch! Es
gab keine Straße bzw. war die Straße ein ein-Meter-tiefes Loch, welches sich
durch den Großteil der Stadt gezogen hat und das Laufen sehr erschwert hat,
denn nur direkt vor den Läden hatte man mit Glück ein wenig Platz. Der Grund
warum ich hierher kam war auch nicht unbedingt die Sehenswürdigkeit der Stadt,
sondern eher um mich ein wenig an die Höhe zu gewöhnen, denn Litang
liegt auf einer Höhe von 4014m und ist somit die dritthöchste Stadt der Welt.
Davon hab ich allerdings fast nichts mitbekommen, denn außer das wenn die Sonne
scheint, man sich wesentlich schneller verbrennt (hab ich natürlich gemacht),
haben mich all die Höhenkrankheitsprobleme doch einigermaßen in Ruhe
gelassen.
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Hauptstraße die Zweite |
Ich habe viele Reisende getroffen, die über Kopfschmerzen geklagt
haben, einige über Müdigkeit und viele über Atembeschwerden. Bekannt ist Litang
allerdings nicht nur wegen seiner Höhe, sondern auch dafür dass es die Geburtsstätte
zweier Lamas war. Die Mehrheit der nicht einmal 50.000 Einwohner hier ist
Tibetischer Abstammung und zu meinem Leidwesen habe ich auch ganz schnell
feststellen müssen, dass viele der Tibeter kein oder nur sehr schlechtes
Chinesisch sprechen. Denn Tibetisch ist im Vergleich zum Chinesischen näher mit
Hindu verwandt und benutzt auch ein Alphabet. Mich stellte es vor die
Herausforderung, dass ich mal wieder nichts verstanden hab, denn leider spreche
ich kein Wort Tibetisch. Allerdings hat mich das nicht daran gehindert einige
Bewohner kennen zu lernen.

So habe ich bei einem Besuch des örtlichen Klosters
als ich gerade die Aussicht über die Stadt bewundert habe einen Tibeter kennen
gelernt, der zum Glück Chinesisch konnte und mich spontan zum Mittagessen mit
seiner Mutti und ihren Freundinnen eingeladen hat. Diese alten Damen sprachen
leider kein Chinesisch, aber irgendwie haben wir uns trotzdem ganz gut
verstanden. Es war auch wirklich schön, als wir so vor der Haupthalle des Klosters
auf dem Boden saßen, leckere Gerichte gegessen haben und dabei immer noch die
Aussicht genießen konnten, denn Litang liegt ebenfalls auf einer weiten
Grassebene und ist umringt von einigen grünen Hügeln, sowie schneebedeckten
Bergen. Nach dem Essen haben sich die Ladies dann auch einfach noch, als ob es
das Normalste auf der Welt wäre (was es für sie vielleicht auch war), einen Joint
angesteckt. Ich hatte zwar schon davon gehört, dass man mit Marihuana recht
locker umgeht in diesen abgelegenen Regionen, allerdings kam es doch ein wenig
überraschend. Ich glaube auch tatsächlich dass es für sie eher als Heilmittel
betrachtet wird, denn als Droge wie wir es kennen.
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Blick über das Kloster und die Stadt bis hin zu den Bergen |
Nachdem wir dann noch eine
Weile den jungen Novizen beim Spielen zugeschaut haben, sind wir dann auch
selber einmal an die Erkundung der Gebetshalle gegangen. Hierbei durfte ich
feststellen, dass auch hier hauptsächlich mit Geld gebetet wird und sich selbst
Gläubige nicht an die Regeln eines Klosters halten, denn Fotos haben sie
gemacht obwohl es einige Schilder gab, die dies untersagt haben. Später bin ich
dann noch ein wenig allein durch das Kloster gepilgert und habe mir eine
riesige Buddhastatue angeschaut, die war bestimmt 15m hoch. Und hatte meinen
Spaß dabei zu sehen wie gut sich die Mönche ins moderne Leben eingegliedert
haben, denn nicht nur dass man sie hin und wieder Eisessen an der Straße
stehend sieht, nein, sie besitzen auch alle ein Smartphone und einige sieht man
auf ihren Motorrädern durch die Gegend fahren.
Die Mönche und Novizen hier
tragen alle eine Art langes rotes Tuch, welches um die Hüfte gewickelt wird,
teilweise auch um den ganzen Oberkörper, aber selbst da habe ich viele gesehen,
die ganz normale Jacken anhatten. Einige tragen auch gelbe Mützen, welche
wahrscheinlich gegen die Höhensonne schützen soll. Ansonsten sieht man hier
auch viele Menschen die wahrscheinlich Hirten sind und auch recht einfache
Kleidung tragen, wo die Jacken auch aus Schaffell bestehen und einfach mit
einem Strick zusammen gehalten werden. Eine weitere Entdeckung die ich gemacht
habe, die einen aber eigentlich weniger überraschen sollte ist, dass hier die Bildung
um einiges weniger gut ist als die der Großstadtbevölkerung. So bin ich dazu
übergegangen einfach zu sagen, dass ich aus Europa komme, anstatt aus
Deutschland, denn die meisten haben noch nie davon gehört und wenn dann waren
die Infos auch eher auf einem veralteten Stand der Dinge. Aber das ist auch
nicht so schlimm, denn wahrscheinlich ist es schon sehr überheblich von allen
Menschen dieser Erde zu erwarten, dass sie die gleiche Bildung wie man selbst
genossen haben.
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Die öffentliche Wasserleitung, von der sich Wasser für den Haushalt geholt wurde |
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Altes traditionelles Haus |
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Neuere Version |
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Gebetsmühlen findet man hier auch einfach mal so auf der Straße |
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Novizen |
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... die im Prinzip auch blos kleine Jungs sind. |
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Meine tibetischen Freundinnen |
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Ohne Kommentar! :) |
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Kuhmist der zum Trocknen an die Hauswand geklebt wird |
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Unterwegs |
Nachdem ich
nun meiner Meinung nach genug akklimatisiert war, ging es weiter in den Süden
nach Daocheng 稻城. Dies sollte auch nur ein kleiner Zwischenstopp auf dem Weg
in die interessanten und wie mir versprochen war, menschenleeren Berge, sein.
Hier stelle sich allerdings schon einmal die Herausforderung einen Bus zu
finden der von Litang nach Daocheng fuhr, denn netterweise konnte man keine
Bustickets kaufen, bevor der Bus ankommt. Das Eintreten dieses Ereignisses
wurde auf eine unbestimmte Zeit irgendwann in den nächsten vier bis sechs
Stunden erwartet. Einige andere Reisende und ich waren dann auch ein wenig
genervt von der überaus nicht-motivierten Busbahnhofangestellten, sodass wir
uns einfach ein „Taxi“ genommen haben. Diese „Taxis“ fahren, aufgrund fehlender
Züge und nur weniger Busse, überall herum, sind aber eigentlich nur Minivans.
Nachdem wir uns dann zu sechst mit Gepäck in eines dieser Taxis gequetscht
hatten und schon am Losfahren waren, beschloss der Fahrer allerdings noch eine
siebte Person zu suchen, denn theoretisch passen sieben Leute in das Auto.
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Immernoch unterwegs |
Leider hatten wir schon alles Gepäck auf den siebten Platz gepackt und konnten
den Fahrer dann auch überreden mit einem kleinen Aufpreis doch schon
loszufahren. Diese Fahrt hat auch gar nicht so lang gedauert (nur vier Stunden
oder so) und schon waren wir am Ziel. Unterwegs habe ich mich ein wenig mit
meinen Mitreisenden unterhalten, was auch recht lustig war, denn zwei ältere
Ehepaare aus Südchina waren gerade auf Chinatournee und hatten innerhalb von nicht
einmal zwei Monaten schon den ganzen Norden Chinas abgearbeitet. Zwanzig
verschiedene Orte in fünfzig Tagen, sehr chinesisch! In Daocheng angekommen
hatte ich dann auch erst einmal das Problem, dass mein Stadtplan nicht so ganz
aussah wie die Wirklichkeit, nicht sehr hilfreich wenn man keine Ahnung hat wo
man eigentlich hin möchte. Allerdings habe ich gleich noch jemanden gefunden, der genau
das gleiche Problem hatte und zusammen haben wir uns dann durch gefragt und
dann doch noch ein Hostel gefunden. Die
Stadtplan-entspricht-nicht-der-Wirklichkeit-Problematik hat man hier recht
häufig, denn die Orte, welche sich gerade Dank des Tourismus im Aufschwung
befinden, verwandeln sich sehr schnell und da kann niemand so recht mithalten.
Daocheng selber ist auch nicht wirklich spannend, eine kleine Stadt die gerade
mehr wie eine Baustelle aussieht oder an den fertiggestellten Orten, wie
geleckt.
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Der erste Blick auf den Xiannairi |
Deswegen habe ich am nächsten Tag dann auch ganz spontan zusammen mit
drei Chinesinnen die Flucht ergriffen und wir sind zum Yading Nature Reserve 亚丁自然保护区 gefahren. Dies liegt im Südwesten Sichuans und beherbergt
drei sehr heilige Berge der Tibeter. Wie gesagt, wurde mir eine Touristenfreie-Zone
versprochen und überall konnte man lesen, dass es sich mehr lohnen würde auf
der Hälfte des Weges zu Übernachten (im Zelt) und dann die Bergumrundung in
aller Ruhe genießen zu können. Ich habe tatsächlich auch Zelt, Schlafsack und
Isomatte die ganze Zeit mit mir rumgeschleppt, mich dann aber in letzter
Sekunde dagegen entschlossen irgendwo ganz allein in der Wildnis zu schlafen,
denn obwohl China sehr sicher ist was das Reisen betrifft muss man es ja nicht
unbedingt auf die Probe stellen. Ich hab dann einfach mit den Mädels in einem
nahen Hostel übernachtet und nachdem wir den ersten Tag nur eine kleine
Wanderung zu einem kleinen Bergtempel gemacht haben und sind wir dann noch weiter zu
einem grassgrünen See gelaufen.

Schon als wir den Park via Bus betreten hatten,
war mir klar, dass dies definitiv keine Touristenfreie-Zone ist, denn große
Reisebusse fuhren alle paar Minuten und brachten hunderte von Touristen in die
Wildnis. Im Park selber waren auch fast überall Gitterwege angebracht und es
wurde darum gebeten diese nicht zu verlassen, sodass man mal wieder auch
wirklich nicht mit der Natur in Berührung kommt. Es war auch lustig zu sehen
wie fast alle „Wanderer“ sehr erschöpft immer wieder halb tot auf den Bänken
zusammenbrachen, denn sie haben nicht so eine schöne Akklimatisierung gemacht
wie ich oder sich selber überschätzt, keine Ahnung, jedenfalls dachte ich mir
an diesem Punkt mal wieder, dass halt nicht jeder für die Berge gemacht ist.
Vielleicht klingt das jetzt ein wenig gemein, aber an diesem Punkt war ich
wirklich ganz schön genervt von all den Touristen. Das hat sich aber zum Glück
ganz schnell geändert, als wir dem See näher kamen, die Touristen sich etwas
mehr verstreut hatten und man auch einen wundervollen Blick auf den höchsten
der heiligen Berge, den
仙乃日 (xiannairi), welcher 6032m hoch ist
und mit seinem schneebedeckten Gipfel einen wunderschönen Anblick bietet. Zwar kann man nicht wirklich sehen dass die
Berge hier um einiges höher sind als in Europa, aber allein das Wissen darum
ist irgendwie ziemlich bewegend. Nachdem wir uns also einen kleinen
Vorgeschmack auf den nächsten Tag geholt haben, sind wir noch ein wenig durch
das Grasland gelaufen, welches sich am Fuße des Berges erstreckt. Hier und auch
in allen anderen Bächen ist das Wasser so klar, dass man es sogar trinken kann
(und so etwas in China!!!), auch gab es Unmengen an Blumen, welche auf der
ganzen Wiese verteilt und zwischen kleinen Bachläufen standen. Leider konnte
man sich nicht einfach auf die Wiese in die Sonne legen, aber wahrscheinlich
würde es ganz bald wie ein Schlachtfeld aussehen, wenn sich die chinesischen
Touristen dort ausgetobt haben.
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So sieht also die tibetische Schrift aus |
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und so kristallklares Gebirgswasser |
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Hier meine chineischen Wandergefährtinnen und ich |
An diesem
Tag sind wir auch recht zeitig ins Bett, damit wir dann am nächsten Morgen
frisch ausgeruht auf eine größere Tour gehen können. Eine der Mädels hatte am
Vortag jedoch schon Probleme mit der dünnen

Luft und schlechter Schlaf haben
sie dann gleich am Anfang schon aus dem Verkehr gezogen und so hat sie ihr Bett
unserer kleinen Wandergruppe vorgezogen. Die beiden anderen wollten dann auch
unbedingt mit den Minibussen (die wie größere Golfkarren aussahen) bis zu dem
Punkt fahren, von wo aus man direkt auf den Bergpfad kommt. Ich habe allerdings
beschlossen endlich mal richtig wandern zu gehen, also nur dann den Bus zu
nehmen wenn es keine andere Möglichkeit gibt. Das war auch gar nicht so
schlecht, denn den ersten Teil der Strecke, welcher direkt am Fluss entlang
durch erst Wald und dann durch Blumenwiesen führte hatte ich ganz für mich
allein, denn absolut keiner ist diesen Weg gegangen. Da war es dann doch schon
wieder ein Schock als dann auf einmal wieder überall Touristen waren, die die
unmöglichsten Fotoposen und jede Menge Lärm gemacht haben und dabei hätte
dieser Ort so friedlich sein können. Naja, der chinesischen Touritheorie nach
hätten diese sich auf diesen kleinen Bereich beschränken sollen und deswegen
bin ich auch ohne Umwege auf den echten Wanderweg los. Leider gibt es für jede
Theorie Ausnahmen und leider war die Ausnahme für meine Theorie ausgerechnet
hier, naja, kann man nichts machen. Lustigerweise waren all die nervigen
Touristen ein guter Ansporn für mich, denn ich wollte nur ungern Pausen
einlegen, wenn mir jede Menge Menschen vor die schöne Aussicht springen.

Zum
Glück sind die Berge alle sehr groß (all um die 6000m hoch) und somit kann man
sie doch genießen. Von Anfang an bin ich nun dem südlichen der Berge immer
hübsch entgegen gelaufen und konnte sehen wie er sich immer größer werden vor
mir aufbaute, seine höchsten Gipfel (natürlich alle schneebedeckt) in Wolken
getaucht, mit grünen Wiesen am Fuß des Berges und einigen mächtigen
Wasserfällen die Schneegrenze und Wiesen verbunden haben. Der Wanderweg,
welcher sich langsam den Berg hinaufwand, immer mit Blick auf den Südberg, war
leider recht matschig, da es hier Esel gibt, die Touristen hoch und runter
schleppen. An einigen Stellen floss auch einfach ein Bach über den Weg, heißt
Bach und Weg hatten den gleich Weg, also Weg = Bach oder vice versa, sodass
die Schuhe wieder sauber wurden. Allerdings habe ich so einige Chinesen sagen
hören: „Oh nein, es ist so dreckig hier!“ Tja, meine lieben Leute, so etwas
nennt sich Natur. Die Meisten waren auch ganz super ausgerüstet: Schuhe (keine
High-Heels, aber teilweise trotzdem nur Ballerinas), einen Rucksack auf dem
Rücken oder Plastiktüte in der Hand, darin eine kleine Flasche Wasser und
vielleicht noch ein paar Kekse. Auch hatten einige Sauerstoffflaschen mit
dabei, was besonders lächerlich aussieht, wenn sie beim Pause machen noch am
Rauchen sind und dann zehn Meter später einen ordentlichen Hieb aus der Flasche
nehmen. Natürlich waren nicht alle so schlecht ausgerüstet, aber leider doch
ein Großteil. Irgendwann wurde der Weg nach oben auch immer steiler und man kam
den Gipfeln langsam näher und
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Der Milchsee von oben |
ich war dann am Milchsee
牛奶海, welcher auf 4600m zwischen einer kleinen grünen Wiese und
ansonsten schneebedeckten Gipfeln liegt und seinen Namen der milchigtrüben
Wasserfärbung verdankt, obwohl er doch immer noch grün aussieht. Nach nur
kurzer Zeit war ich dann auch noch am Fünf-Farben-See 无色海. Dieser
liegt auf 4700m und hatte wirklich aufgrund seiner Tiefe diverse sehr schön
erkennbare Grünfärbungen. Diesen habe ich aus wahrscheinlich einer Höhe von
4750m gesehen, was für mich der höchste Punkt ist an den ich bisher gekommen
bin (vom Flugzeug mal abgesehen). Von hier oben hatte ich dann auch einen
wunderschönen Blick auf die umliegenden Berge und sogar ein wenig runter ins Tal
und konnte somit sehr gut nachverfolgen wie weit hoch ich schon geklettert war.
Vom Startpunkt aus welcher auf 3800m liegt bis hierher habe ich fast 1000
Höhenmeter überwunden. Dort oben war es dann auch ordentlich windig und kalt,
aber was erwartet man kurz unter der Schneegrenze mit wolkenverhangenem Himmel.
Ich habe dann dort Mittagsrast gemacht und die Reste des selbstgebackenem
tibetischen Brotes und des sauren Käses gegessen, welche mir die Tibeter in
Litang mitgegeben hatten. Brot, Käse und eine herrliche Aussicht über die
Berge, was will man mehr?
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4750m |
Irgendwie war es am Ende doch so schön, dass ich das
fette Grinsen in meinem Gesicht nicht mehr wegbekommen habe :D Während der
letzten Stunde des Aufstieges hatte ich auch genügend Puste übrig um den
Chinesen die mich die üblichen Fragen gefragt haben, tatsächlich auch
ordentliche Antworten geben konnte und man sogar ein wenig miteinander ins
Gespräch gekommen ist. Da ich am Ende doch schneller war, sind mir viele von
ihnen entgegen gekommen als ich schon wieder auf dem Weg nach unten war und sie
waren mir fast dankbar als ich ihnen sagen konnte dass es nur noch einige
wenige Meter bis zum Ziel sind. Da hatte sich dann doch eine recht witzige
Atmosphäre eingestellt, denn alle haben mehr oder weniger gleich leiden müssen
um bis da hoch zu kommen und alle waren glücklich das Ziel fast erreicht zu haben. Kurz
nach meinem persönlichen Gipfel habe ich dann auch meine zwei Freundinnen
wieder getroffen und mit viel Hallo und „da seid ihr ja!“ sind wir ein wenig
zusammen gegangen. Allerdings bin ich dann auch bald wieder allein weiter, denn
ich wollte ja den gesamten Weg zurück laufen. Was ich dann auch getan habe. Im
Endeffekt waren die Beiden auch nur eine Stunde vor mir wieder zurück im Hostel
und dass obwohl ich eine viel weitere Strecke gelaufen bin als sie. Aber
irgendwie hat es sich auch unglaublich gut angefühlt, zu wissen dass man doch
nicht so ganz außer Form ist oder es zumindest mit chinesischen Touristen
aufnehmen kann. Die Gesamtstrecke betrug dann am Ende 25km, 950 Höhenmeter,
dafür habe ich nur acht Stunden gebraucht (laut Reiseführer wären es etwa zwölf
gewesen), ich war am für mich höchsten Punkt und war dann dementsprechend stolz
auf mich. Ihr könnt euch auch gar nicht vorstellen wie gut ich danach
geschlafen habe :)
Da ich es
leider nicht mehr geschafft habe mir für den nächsten Tag ein Busticket zu
kaufen, bin ich einfach noch einen Tag in Daocheng geblieben und habe mich ein
wenig ausgeruht. Bin durch die Stadt spaziert, habe mir noch eine Stupa
angeschaut und mich an leckerem Tee in einem wirklich gemütlichen, im
tibetischen Stil eingerichteten Teehaus erfreut.
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