Hallihallo ihr Lieben,
nur eine kleine Vorwarnung: dieser
Eintrag könnte euch ein wenig an die Nieren gehen, denn dieses Mal werde ich
euch etwas über die jüngere Geschichte Nanjings erzählen. Also am Besten legt
ihr euch irgendwo ein bisschen Schokolade oder die Känguru-Chroniken zurecht,
damit ihr den Rest des Tages nicht völlig deprimiert in einer Ecke versauert!
Bevor ich aber dazu komme, noch etwas
Schönes bzw. Leckeres. Unsere geliebte Chinesischschule (nicht die Uni) hat am
Freitag einen Kurs angeboten, bei dem man lernen kann wie man Jiaozi macht. Ihr
erinnert euch vielleicht daran, dass ich euch schon einmal von den chinesischen
Maultaschen erzählt habe. Jetzt hatte ich endlich die Gelegenheit mich selber
in der Kunst des Maultaschenbastelns zu probieren und muss sagen, die sind mir
doch recht gut gelungen. Nicht eine ist aufgegangen! Vielleicht kann ich die
Machart nach Hause importieren. Bei der Gelegenheit haben wir dann auch gleich noch
neue (internationale) Bekanntschaften geschlossen und uns prächtigt amüsiert.
Samstag ging es dann, nachdem wir
Mädelsshoppen abgehakt hatten, mal wieder zum Filmschauen (diesmal "Tiger
and Dragon") hierher, mit der üblichen Diskussion in Chinesisch am Ende.
Am Sonntag waren die Jungs noch in
Shanghai und bis auf Kali hatten alle anderen Mädels mit Lernen und Hausaufgaben zu
tun, deswegen sind wir allein los gezogen. Und zwar ging es ins Nanjing
Massaker Museum. An dieser Stelle muss ich ein wenig weiter ausholen und euch
ein wenig darüber erzählen:
Während des zweiten Weltkrieges war
Nanjing (oder damals noch Nanking genannt) die Hauptstadt Chinas. Da die
Japaner genau wie das Deutsche Reich an Größenwahn litten, hatten sie sich
vorgenommen benachbarte Teile auf dem Festland zu erobern, China steht da
natürlich auch ganz oben auf der Liste. 1932 also eroberte Japan Shanghai,
nachdem es dort schon diverse Zwischenfälle gab (ich will nicht zu weit
ausholen und das auch noch alles erzählen), jedenfalls war damit der erste
Schritt zur Eroberung Chinas getan. Als dann bei einem Zwischenfall in Peking
Anfang Juli 1937 der zweite Sino-Japanische Krieg ausbrach, war natürlich klar
dass es jetzt Nanjing an den Kragen gehen würde. Am 9.12.37 war es dann soweit,
die Japaner standen vor den Toren Nanjings und forderten deren Kapitulation,
welche jedoch abgewiesen wurde. Innerhalb von nur drei Tagen hatten die Japaner
dann allerdings die Stadt eingenommen. Ein Grund dafür war vor allem, dass die
Chinesen im Vergleich zu den Japanern sehr schlecht ausgerüstet waren mit allem
was man für einen Krieg so gebrauchen könnte zu tun hat.
Während die Japaner also die Stadt
eroberten plünderten sie, töteten wahllos bewaffnete sowie unbewaffnete
Soldaten, Alte, Frauen und Kinder. Es kam zu Massenhinrichtungen und
dementsprechend zu Massenbegräbnissen in Form von Verbrennungen, wobei
durch die schiere Massen an Leichen, viele nicht vollständig verbrannten. Insgesamt
gab es wohl zwischen 200.000 und 300.000 Opfer (über die Zahlen ist man sich
bis heute nicht ganz einig). Des Weiteren wurden ca. 20.000 Mädchen und Frauen
auf das Grausamste, über Stunden hinweg, vergewaltigt, nicht immer haben sie
das überlebt. Das Massaker dauerte ungefähr sechs Wochen an.
Eine bekannte Persönlichkeit die mit
diesem Ereignis in Zusammenhang steht ist John Rabe. Er war ein deutscher
Geschäftsmann und Repräsentant der Nazis in Nanjing zu dieser Zeit. Während des
Sino-Japanischen Krieges richtete er zusammen mit anderen Ausländern, die in
der Stadt geblieben waren, eine Sicherheitszone für die Bewohner Nanjings ein. Leider
hat das die Japaner herzlich wenig interessiert. Während des Massakers hat er
in seinem Haus und seinem Garten hunderte Chinesen Unterschlupf geboten, indem
er eine große Hakenkreuzflagge im Garten aufgespannt hat. Aufgrund eines
deutsch-japanischen Bündnisses wurden er, Haus und Garten inklusive Chinesen daraufhin
verschont. Wer hätte gedacht, dass die Hakenkreuzflagge einmal Leben retten
würde.
Soweit zum Hintergrund. Das Museum
wurde 1985 erbaut, sieht jedoch so modern aus, dass es auch gut und gerne erst
fünf Jahre alt sein könnte. Kali und ich haben davor gestanden und hin und her
gegrübelt was uns der Architekt mit der Gestaltung sagen möchte und haben dann
aber aufgegeben, weil es einfach viel zu viel zu sehen gibt. Das erste was man
allerdings sieht ist ein dreieckiges Gebäude aus Beton, davor steht eine ca. 5m
hohe metallene Statue, welche eine (schreiende/weinende?) Frau darstellt, die
ein (wahrscheinlich totes) Kind in den Armen hält. Darunter steht geschrieben:
Family
Ruined
Never
returns the son killed
Never
returns the husband buried alive
Miseries
drowns the wife raped
Good
Heaven!
家破人亡
被杀害的儿子永不再生
被活埋的丈夫永不再生
悲苦留给了被恶魔强暴的妻
苍天啊。。。
Dieses Gedicht beschreibt auf grausame,
aber auch ehrliche Art und Weise sehr kurz und knapp genau was während dieser
Wochen mit den Menschen in Nanjing geschah. Auf dem Weg zum Eingang befinden
sich weitere Stauten, die andere Menschen und ihre Erfahrungen darstellen.
Jedes Mal mit einem kurzen Gedicht ähnlich dem Ersten.
Da es Sonntagnachmittag und gutes
Wetter war, waren auch dementsprechend viele Leute vor und in dem Museum. Gemeinsam haben wir uns dann mit allen
anderen durch den Eingang gequetscht (Eintritt war mal wieder umsonst oder 免费 (mianfei) wie
der Chinese sagt). Betritt man das Gelände so sieht man erstmal in riesiger
Schrift an einer noch größeren Wand geschrieben „遇难者 (yunanzhe) 300.000“, „Opfer 300.000“
und das in verschiedenen, viel gesprochenen Sprachen dieser Welt. Geht man in
das Hauptgebäude der Ausstellung so umgibt einen überall eine recht düstere
Atmosphäre, welche zunehmend die eigene Stimmung wieder spiegelt. Überall befinden sich Bilder, Zeitungsartikel,
Requisiten, nachgestellte Szenen und andere Quellen zu diesem Thema, ausgehend
von der Eroberung Shanghais. Dazu gab es chinesische und englische(!) Erklärungen.
Am meisten berührt haben mich dabei die Zeitzeugenberichte, die wurden zwischen
den Erklärungen und Berichten angebracht oder hingen von der Decke. Ich habe
irgendwann aufgehört die zu lesen, denn ich stand kurz davor los zu heulen. Man
sollte ja meinen, wenn man zum gefühlten hunderten Male liest wie eine Familie
auf das Grausamste und Widerlichste zerrissen und zerstört wird, sollte es
einen abstumpfen, aber irgendwie war das nicht der Fall. Dazu kam auch noch die
Respektlosigkeit einiger Asiaten, denn Einige telefonierten standartmäßig
lautstark und Andere (leider sehr viele) schossen Bilder von nachgestellten
Szenen von Zerstörung, Mord und Vergewaltigung. Kali und ich haben uns beide gefragt wie man
nur so widerlich sein kann und was man damit bezweckt, aber an einem Punkt
wollte ich darüber auch gar nicht mehr nachdenken.
Dieses
Massaker geht den Bewohnern Nanjings sehr nah, dass sieht man auch daran mit
wie viel Sorgfalt dieses Museum eingerichtet ist und es nicht nur Unmengen an
Material gibt, sondern auch alles ins Englische übersetzt wurde (sonst nicht
der Fall), was Einem sehr gut zeigt, dass dieses Thema auch von den Ausländern wahrgenommen
und verstanden werden soll.
Am
Ende der Ausstellung gab es dann ein Regal, welches gefüllt war mit den Akten der
Namen der Opfer, dieses Regal war ganze zwölf Meter hoch, das gibt einem noch
einmal eine ganz andere Vorstellung von der Zahl der Opfer.
Wir
haben uns dann noch ein wenig weiter umgesehen und unter anderem echte Knochen
der Opfer aus einem der Massengräber betrachten können. Auch da wird einem auch
ein wenig anders! Jedoch waren wir dann schon zu erledigt, um uns noch viel
mehr anzusehen und so haben wir beschlossen wieder zu kommen und den Rest in
aller Ruhe in uns aufzunehmen. Denn man muss schon sagen, dass dieses Museum wirklich sehr beeindruckend ist, nicht nur von der Geschichte her die es beherbergt, sondern auch die Architektur ist nicht ohne.
Von
diesen Eindrücken noch ein wenig geschockt ging es dann abends für mich weiter
in das Café, in welchem ich schon am Sonntag zuvor war. Thema diesmal waren die
Rechte der Schwulen und Lesben in den USA, vorgetragen von einem amerikanischen
Geschichtslehrer. Jedoch hatte sich der Vortrag ganz schnell in eine Diskussion
über eben diese Recht in aller Welt gewandelt und so haben wir auch jede
Menge über die Situation in China gelernt. Im Groben und Ganzen kann man sagen,
dass sie wie leider in so vielen Ländern noch so gut wie keine Rechte besitzen,
es jedoch eine aktive Schwulen- und Lesbenszene in den großen Städten gibt und
Kinder von ihren Müttern nicht verstoßen werden, wenn sie sich dazu bekennen.
Bei den Vätern sieht das leider noch etwas anders aus, aber in guten Fällen
stellen die sich dann einfach blind gegenüber der Sexualität ihres Kindes. Ich
muss sagen diese Diskussion war unglaublich spannend und ich freue mich schon
auf nächstes Mal, dann geht es um Gleichberechtigung.
Wie
immer herzliche Grüße aus dem trüben Nanjing!
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So, hier jetzt auch die anderen Pyjamatiere; der Kuchen besteht aus 40% Fladenbrot und zu 60% aus reinem Fleisch und da soll nochmal ein Mexikaner sagen: "Eine Fleischtorte, wie soll das denn gehen!" Nach nur 12 Stunden war besagte Torte von besagtem Mexikaner fast komplett aufgegessen. |
PS.:
der Herbst macht sich doch langsam bemerkbar, letzte Woche nur noch knapp 20°C
(also schon recht kalt) und überall braunes Laub auf den Wegen und Straßen,
weiterhin allgemein höhere Smogwerte. Da die Werte diese Woche schon bei „sehr
ungesunden“ Werten lagen, hab ich mir jetzt auch mal eine Atemschutzmaske
gekauft, damit fühlt man sich gleich so richtig krank!