von Einer die auszog die Welt zu erkunden Teil 2

Montag, 29. September 2014

1 Monat


Hallihallo ihr Lieben,

nur so zur Vorwarnung das wird wahrscheinlich mal wieder ein etwas längerer Eintrag, denn nicht nur hab ich so einiges erlebt, sondern, nein, ich bin heute auf den Tag genau schon einen Monat hier in Nanjing, China, das Ende der Welt! Ih finde das ist es wert erwähnt zu werden.

Wie ihr vielleicht schon mitbekommen habt, hab ich mich hier super eingelebt, viele Freunde gefunden (ja auch chinesische!), mich definitiv an den Verkehr gewöhnt, an das Essen sowieso (ich muss mitlerweile auch nicht mehr weinen wenn ich scharfes Essen esse, allerdings brennt im und um den Mund immer noch alles, aber ein Fortschritt ist es trotzdem schon mal), die Uni ist okay (nicht besonders spannend, aber ertragbar) und das Wetter ist nur meistens deprimierend, aber nicht immer.
Naja, manchmal ist die Uni auch eigentlich ganz interessant, besonders wenn wieder Märchenstunde bei meiner Klassenlehrerin ist.  
Thema heute war der Drache (long). Jeder (oder zumindest fast jeder) verbindet mit China den Drachen, warum das so ist habe ich heute erfahren. Bevor das chinesische Kaiserreich entstand, bestand China (was es zu diesem Zeitpunkt in dem Sinne ja nicht gab) aus vielen verschiedenen Stämmen, jeder hatte so seine eigene Kultur, Geschichte, Sprache, etc. wie das halt so ist mit verschiedenen Völkern. Irgendwann vor wahrscheinlich 3000-4000 Jahren (Belege dafür gibt es leider keine) haben sich die einzelnen Stämme dann zusammengeschlossen. Man hat viel hin und her überlegt wie man diesen Zusammenschluss öffentlich zur Schau stellen kann und dachte sich: hey, ein Tier wär doch nicht schlecht. Das ist allerdings auch eher schwierig wenn jeder Stamm ein anderes Tier bevorzugt. Doch irgendeine clevere Seele dachte sich, dann kreieren wir halt ein neues Tier, so wir gerade einen neuen Stamm/Staat kreiert haben. Dabei kam der Drache raus. Der hat den Körper einer Schlange, den Kopf eines Schweines, die Ohren einer Kuh, Die Schuppen vom Fisch (an dieser Stelle ignorieren wir mal das Schlangen auch Schuppen haben), das Geweih eines Hirsches und die Krallen eines Adlers. Der Drache symbolisiert also nicht nur ein langes Leben, Glück und Zufriedenheit, sondern ursprünglich symbolisierte er die Einheit Chinas. 

So jetzt aber wieder zurück in die Gegenwart, hier habe ich zwar keine echten Drachen getroffen, aber doch so einiges erlebt. Also weiter geht’s!
Von meinem Kalligrafie Kurs hab ich euch ja schon erzählt und diese Woche hat es tatsächlich geklappt und der Taiji Kurs konnte auch endlich stattfinden. Genauer gesagt handelt es sich dabei um Taijiquan 太极拳, auch bekannt als chinesisches Schattenboxen. Ursprünglich war das mal ein Kampfsport, aber mittlerweile wird es eher für Gymnastikübungen und die Bewegungslehre verwendet und man kann teilweise schon nicht mehr von Kampfsport reden. Aber nichts desto trotz erfreut sich diese Sportart hier in China an regen Teilnehmer und ist deswegen auch ein Volkssport. Dass kann ich mir natürlich nicht nehmen lassen, als Freund des Kampfsportes und hab mich sofort in die Teilnehmerliste eingetragen. 
Hier nun zum eigentlichen Sport. Die Bewegungen sind bisher (war ja auch erst unsere erste Stunde) sehr langsam und gehen fließend in einander über. Zwar sieht das alles noch recht wackelig aus, aber das wird auch noch. Unser Lehrer, ein kleiner irgendwie knuddelig aussehender Chinese möglicherweise in den 40er (aber wer kann bei Asiaten schon sagen wie alt die wirklich sind), der eine sehr entspannte Ausstrahlung hat an der man erkennt dass man einen Meister seines Faches vor sich stehen hat. Der Gute ist nämlich Kampfkunstlehrer an unserer Uni und ich kann mir gut vorstellen, dass sich diese auch hier einer regen Teilnahme erfreuen. Anfangs hat er uns jedenfalls erstmal eine Einführung in das Taiji gegeben, Sprachbedingt hab ich leider nur so viel verstanden wie ich euch bereits geschrieben habe, achja, es gibt viele verschiedene Richtungen davon (wer hätte das gedacht). Ein wenig hat es mich geärgert dass ich nicht mehr verstanden habe, denn er hat sehr langsam und klar geredet, aber was will man machen wenn das Vokabular fehlt. Naja, seine Anweisungen zu den Techniken versteh ich auf jeden Fall und das ist meiner Meinung ja die Hauptsache. Jedenfalls hat diese Stunde richtig viel Spaß gemacht, denn obwohl es auch hier nicht witzig war, hat man sich danach irgendwie tiefenentspannt gefühlt. Beim Trainieren selber hat man richtig gemerkt wie bei jeder Bewegung alle Muskeln im Körper angespannt werden und erst wieder gelöst werden, wenn es zur nächsten Bewegung übergeht. Ja ich muss sagen, das ist genau was ich gebraucht habe, nachdem man den Großteil des Tages doch nicht so viel von der üblichen Bewegung zu spüren bekommt.

So frisch entspannt bin ich dann in den Freitag gestartet und konnte dann auch abends einen chinesischen Film auf Chinesisch anschauen (der zum Glück englische und chinesische Untertitel hatte). Gesehen haben den ich und einige Freunde in einer Sprachschule für chinesisch ganz in der Nähe der Uni, die immer mal wieder auch bei uns Werbung machen und wie wir festgestellt haben wirklich nennte Leute beherbergen und man wahrscheinlich öfters dorthin gehen wird, egal ob zum Lernen, Film schauen oder anderen Veranstaltungen. Ein wenig kann man das mit dem Konfuzius-Institut vergleichen. Der Film den wir gesehen haben nennt sich Coming Home 归来 (guilai), bei dem es um die Auswirkungen der Kulturrevolution auf betroffene Familien geht. Sehr guter Film, kann ich nur empfehlen. Danach gab es dann auch gleich noch eine Diskussion über das Thema Kulturrevolution, bei der ich anfangs noch recht gut mitgekommen bin, dann aber doch nicht nur zu müde war, sondern auch meine Sprachkenntnisse noch weit genug gereift sind, mal wieder. Ach könnte ich doch nur schon richtig sprechen! Naja, war aber soweit ich es verstanden hab, aber trotzdem ganz interessant, besonders der Fakt dass es sich dabei nicht wirklich um eine Diskussion im herkömmlichen Sinne gehandelt hat, denn Kritik gab es keine, aber zumindest wurde auf Chinesisch geredet. Das hätte mich tatsächlich sehr überrascht, wenn dort jemand Kritik geübt hätte (China ist halt doch nicht Deutschland), zumal die LehrerInnen die dort arbeiten, alle gleichzeitig auch Unterricht an der Nanjing University geben und bei Kritik sicherlich ganz schnell nicht nur ihren Job losgeworden wären. Die Maschinerie Unterdrückung China funktioniert ganz gut, soweit ich das beurteilen kann, denn deutsche Nachrichten kann ich selbst mit VPN nicht schauen, dafür ist das Internet einfach viel zu langsam, Instagramm wurde gesperrt (Facebook gibts hier offiziell ja sowieso nicht) und laut einem chinesischen Jurastudenten besteht die Regierung aus einer großen Familien, denn auch dort zählen Beziehungen und Kontakte mehr als eigentliche Fähigkeiten. Ich glaub ich hab euch auch noch gar nicht von den Videokameras erzählt die überall hängen, stehen und wahrscheinlich auch versteckt irgendwo angebracht sind. Ein wenig paranoid wird man dadurch schon, aber wenigstens sind die Kameras und Mikrofone in meinem Zimmer  so gut versteckt dass ich sie entweder nur nicht sehe oder ich tatsächlich keine habe. So genau möchte ich es aber glaub ich auch nicht wissen.


Aber lasst uns voran schreiten zu erfreulicheren Dingen, dem Samstag. Diesmal haben wir uns zu einer vernünftigen Zeit (12Uhr) getroffen und sind auch den Abend vorher nicht ewig unterwegs gewesen (da ich mal wieder die ganze Woche krank war, war ich eh nicht fit genug für solchen Quatsch, langsam aber sicher beschleicht mich das Gefühl alt zu werden :(). Wir, das heißt Flavia, Ange und ich (alle anderen doch zu verkatert) haben erstmal standartmäßig Nudelsuppe zum Frühstück/Mittagessen gehabt und uns dann noch mit Sandra getroffen. Und schon ging es auf zu unserem ersten Ziel, dem Jiming Tempel 鸡鸣寺. Dies ist ein buddhistischer Tempel gleich neben der Stadtmauer Nanjings und dem Xuanwu Sees gelegen. Über den Tempel kann ich euch geschichtlich nicht allzu viel erzählen,  außer dass er erstmals 557 uZ errichtet wurde, allerdings mehrmals bei verschiedenen Gelegenheiten zerstört und wieder aufgebaut wurde und in seinem jetzigen Zustand in der Ming-Dynastie (ca. 1380er) wieder aufgebaut wurde. Der Tempel ist nicht besonders groß, steht aber auf einem kleinen Hügel und hat somit jede Menge Treppen, welche das Ganze viel größer wirken lassen. Auf der Spitze des Hügels steht eine sieben Stockwerke hohe Pagode von der man aus (angeblich) die Stadt, den See und die Mauer ganz gut überblicken kann. Leider wird er grad restauriert oder so, denn wir konnten leider nicht hoch, aber auch nicht so schlimm, denn wir hatten dieses Wochenende Smog-Höchststand (ich kann mich nicht mehr genau an die Zahl erinnern, aber wir waren schon fast aus dem ungesunden Bereich nach oben hinaus), dementsprechend war die Sicht auch ausgesprochen gut. Tatsächlich hab ich „meinen“ Turm am Morgen für eine Stunde lang nicht sehen können. Aber zurück zum Thema, der Jinming-Tempel. 
besagte Bommeln
Wie gesagt kann ich euch über den Verwendungszweck und die Geschichte nicht so viel erzählen, aber ich bin ja eh kein Religionsfanatiker und hab mir lieber die Architektur und die Leute angeschaut. Architektur: immer wieder faszinierend, geschwungene Dächer, alles in gelb angestrichen mit roten und grünen Fensterrahmen und überall hingen hübsch bemalte Kugeln mit roten Bommeln rum, was aus dem Ganzen ein wirklich sehr schönes Bild machte. Achja, nicht zu vergessen natürlich auch die Gebetsflaggen, die sehen eigentlich eher wie Festwimpel aus, aber sind dafür in jeder grellen Farbe zu finden, was ein schöner Kontrast zum grauen Himmel ist. Sollte ich an dieser Stelle mit meinen „Fachbegriffen“ irgendjemandem auf die Füße treten, dann tut mir das wirklich leid, aber bei 35°C tropischer Hitze hab ich immer nicht so viel Lust mir ellenlange chinesische Erklärungen durchzulesen und dann auch noch (wahrscheinlich falsch) zu übersetzten, außerdem können damit die Meisten wahrscheinlich eh nichts damit anfangen und deswegen werde ich weiterhin von Bommeln und bunten Wimpeln reden:). 
sehr viele abgebrannte Räucherstäbchen
Am Eingang bekam man zu seiner Eintrittskarte auch gleich noch drei Räucherstäbchen dazu, damit man die an dafür gedachten Stellen anzünden und ein Gebet sprechen kann. Dementsprechend riecht es dort auch sehr stark danach, gepaart mit der Hitze die von den Kerzen zum Anzünden und dem riesen Berg von noch glühenden Stäbchen ausgeht und den Temperaturen: wunderbar! Wirklich so ganz und gar nicht meins, aber wenigstens konnte ich schöne Bilder schießen. Wer jetzt denkt ich habe den Tempel damit entweiht, muss sich darum keine Sorgen machen, denn zum einen war er das schon zuvor, denn einige Leute sind laut telefonierend durch die Anlage (selbst dort wo ausdrücklich um Ruhe gebeten wurde) und haben somit auch ihr Stäbchen angezündet und auch habe ich nur dort Fotos gemacht wo es nicht verboten war, ganz im Gegensatz zu anderen Touristen. Bis auf diese kleinen Ärgernisse aber war der Tempel ein unglaublich schöner und ruhiger Ort, zu dem ich wahrscheinlich noch einmal gehen werde. 
 
Pagode des Jiming Tempels


Als wir dann genug von Ruhe und Räucherstäbchen hatten, ging es weiter auf die Stadtmauer von Nanjing 南京城墙 (Nanjing chengqiang). Diese wurde in 28 Jahren von 1366 bis 1393 von mehreren Millionen Menschen aus dem ganzen Land erbaut.  Damals war sie sage und schreibe 35km lang, heute sind es „nur“ noch 25km, aber trotzdem ist sie immer noch der Höhepunkt der Stadtmauern auf der ganzen Welt, welche aus Ziegeln erbaut wurden. Dabei wurde auf jedem Ziegeln eingraviert von wem dieser Ziegel hergestellt wurde, so konnte man im Falle eines Zusammenbruchs denjenigen bestrafen. Diese Gravierungen sind selbst heute teilweise noch sichtbar und machen die Mauer nochmals ein wenig besonderer, denn dies war die größte Ziegelgravierungsaktion in ganz China.
Wir haben uns unterdessen von der Geschichte leiten lassen und sind auf der Mauer entlang spaziert, das geht ohne Probleme, denn die Mauer ist mindestens 5m breit. Irgendwann sind wir dann auch noch auf die deutsche, amerikanische und Schweizer Geschichte zu sprechen gekommen und haben so nicht nur etwas neues über Nanjing, sondern auch noch über die anderen Länder gelernt. Als wir dann langsam des Laufens müde wurden sind wir von der Mauer runter  und über die Inseln im Xuanwu See (玄武湖 xuanwuhu) spaziert. Die wurden dort extra angelegt und trennen die „echten“ Sportler, welche Drachenboot fahren von den „unechten“ Sportlern die mit elektrischen Booten See-Sight-Seeing machen. Da es Samstagnachmittag war, waren wie immer jede Menge Leute unterwegs und haben auf den Wiesen alle viere grade sein lassen oder aber viel chinesischer Sport getrieben (natürlich darf Taiji dabei nicht fehlen!).
Irgendwann wurde uns aber auch das zu bunt (naja, eher wurde das Grau zu trist) und wir sind noch etwas essen gegangen, bevor es wieder in die Sprachschule zum nächsten Film ging. Diesmal gab es einen Kongfu-Film (Brotherhood of Blades) bei dem es um die Befreiung der Ming-Dynastie aus der Hand der Eunuchen geht. Witzigerweise hatten wir beim Mittagessen schon über die Eunuchen in der Ming-Dynastie geredet und so hat das dem Tag einen runden Abschluss gegeben. Im Anschluss haben wir noch kurz auf Chinesisch darüber geredet und ich hab sogar richtig viel verstanden. Yeah! Es gibt doch hin und wieder kleiner Erfolgserlebnisse.

der Zifeng-Tower, das 7höchste Gebäude der Welt und davor die Pagode des Jiming-Tempel
Das war im Prinzip mein Wochenende, denn am 1.10.1949 proklamierte Mao Zedong die Volksrepublik China und das ist natürlich ein guter Grund mal eben eine ganze Woche frei zunehmen. Dummerweise fallen da auch zwei Tage drunter die nach bzw. vor gearbeitet werden müssen. Das hieß also für uns und für alle anderen Studenten in diesem ein wenig verrückten Ländchen: Sonntag früh um acht in der Uni antanzen und Montag in einer Woche vorarbeiten. Ich persönlich (und von vielen hab ich ähnliche Äußerungen gehört) finde es eine wirklich schlechte Idee einen Sonntag mit einem Montag zu ersetzten! Das Schlimme ist eigentlich nur, dass übernächste Woche der Samstag mit einem Dienstag ersetzt wird. Ungefähr genauso schlimm! Da bleibt mir nur zu sagen: die spinnen die Chinesen. Naja, irgendwie hab ich es überlebt und ich war sogar munterer als die meisten anderen (zumindest von denen die gekommen sind), dafür war ich heute zum „echten“ Montag wunderbar müde und hätte fast die Märchenstunde verschlafen. Und da soll nochmal jemand sagen, die Studenten haben ein Luxusleben!

Am Mittwoch geht’s dann für mich zur Feier des Tages zur Regierung von Nanjing und am Donnerstag kommt Johanna mich dann für ein paar Tage besuchen. Wir haben zusammen in Leipzig studiert und sie ist jetzt in Xi’an (da wo die Terrakottarmee steht) und wir werden uns hier einen Bunten machen. Da freu ich mich schon drauf! Thomas mit dem ich auch zusammen studiert hab, kann leider nicht kommen :( Blöde Polizei in Peking!

So jetzt aber Schluss, sonst schlaf ich morgen im Unterricht wieder ein und das wird meiner Smiley-Quote bestimmt nicht gut tun. Bis bald und euch allen eine schöne Woche! Hey, bei euch ist ja auch Feiertag, feiert dann mal schön!

Allerliebste Grüße von eurer Jana

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